Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
ihres Bestehens erreichen konnte;
– was von den großen Ansprüchen, die das Projekt Weltethos mit sich bringt, eingelöst werden konnte.
Es ist heute Abend hier natürlich nicht der Ort, Ihnen eine »Leistungsbilanz« unserer Stiftung vorzulegen. Darüber könnte man mehrere Vorträge halten. Wer sich im Detail dafür interessiert, der oder die möge unser »Handbuch Weltethos« lesen, das 2012 erschienen ist. Dort sind all die Handlungsfelder beschrieben, die im Laufe der Jahre unserer Stiftungsarbeit entstanden sind: von den Weltreligionen, der Politik und der Wirtschaft über die Pädagogik und unser internationales Wirken bis hin zu Recht, Sport und Musik. Und man kann dort nachlesen, wie es jeweils zu diesen Themen und Arbeitsbereichen kam und was unsere Stiftung in diesen Handlungsfeldern konkret tut.
Um einzuschätzen, was faktisch geleistet und erreicht werden konnte, mögen Sie sich die beiden zentralen Dimensionen der Weltethos-Thematik vergegenwärtigen, die auch für unsere Stiftungsarbeit grundlegend sind. Und ich erhoffe mir, dass in beiden Dimensionen auch in Zukunft erfolgreich weitergearbeitet wird.
Erstens: die interkulturelle Dimension, der Dialog der Religionen und Kulturen . Voraussetzung für ein gutes Miteinander der Kulturen ist Wissen voneinander, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten, damit wir dialogfähig sind und Vorurteile wie Klischees erst gar nicht entstehen können. Und solches Wissen von den eigenen und von fremden Kulturen sollte möglichst früh erfahren und erprobt, am besten schon in Familie und Kindergarten grundgelegt und im schulischen Alltag vertieft werden. Menschen unterschiedlichster Lebensbereiche und Berufe brauchen heute solche interkulturelle Kompetenz, denn überall begegnen sich heute Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen, stoßen Lebenswelten aufeinander, die sich oft fremd sind, ohne deren friedliches Miteinander aber kein Leben in Frieden und Freiheit möglich ist.
Die Stiftung Weltethos kann stolz sein, dass sie in diesen Fragen nicht nur einzigartige Grundlagenarbeit geleistet hat. Sie hat auch über die Jahre konsequent Wege gesucht und beschritten, solches interkulturelle Wissen Menschen unterschiedlichster Bildungsschichten zu vermitteln. Die Publikationen, Medien und Lehrmittel unserer Stiftung sind nicht nur im deutschsprachigen Raum zum festen Bestandteil der Bildungslandschaft geworden. Vieles davon hat weltweite Verbreitung gefunden, und wir sind besonders froh und dankbar dafür, dass nach dem Vorbild unserer Schulmaterialien unterdessen sogar in Hongkong Weltethos-Lehrmittel in chinesischer Sprache entstanden sind, die von dort auch ins Schulsystem von Festland-China Eingang finden. Und dies alles initiiert von einer kleinen Stiftung in Tübingen!
Aber ebenso zentral ist die zweite Dimension der Weltethos-Thematik : die Frage der Vermittlung von Werten . Sie werden mir zustimmen: Was früher mehr oder weniger selbstverständlich in den Familien stattgefunden hat, kann heute dort leider oft nicht mehr vorausgesetzt werden. Deshalb sind Kindergärten, Tagesstätten und vor allem Schulen erstrangige Lernorte für die Wertevermittlung, und unsere Stiftung Weltethos hat auch hier Herausragendes geleistet und wird ihre Bemühungen noch weiter intensivieren.
Doch Wertevermittlung ist nicht nur ein Thema für die Pädagogik . Es braucht sie, wie bereits angedeutet, in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Lange könnte ich beispielsweise berichten über meine Vorträge zum Thema »Weltrecht und Weltethos« im Verein der Richter des Bundesverfassungsgerichts und in der Juristischen Studiengesellschaft am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, an der Georgetown University in Washington und anderswo.
Oder denken wir an die Politik : In Dankbarkeit blicke ich zurück auf die vielen oft herausragenden Gelegenheiten, das Thema Weltethos in den politischen Diskurs und in die politische Praxis einzubringen:
– mein jahrelanges Engagement mit Altbundeskanzler HELMUT SCHMIDT und Altbundespräsident RICHARD VON WEIZSÄCKER beim InterAction Council ehemaliger Staats- und Regierungschefs;
– meine Mitarbeit in der vom damaligen UN-Generalsekretär KOFI ANNAN einberufenen »Group of Eminent Persons« und deren Bericht »Crossing the Divide« für ein neues Paradigma internationaler Beziehungen;
– und schließlich die vielen herausragenden internationalen Politiker, die wir als Weltethos-Redner an der Universität Tübingen begrüßen durften:
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