Erlöst mich: Thriller (German Edition)
Sich einer Waffe bemächtigen zu müssen, mit der zwei brutale Morde verübt worden waren,
widerte sie zwar an, aber sie würde sie brauchen, um Wise zur Rechenschaft zu ziehen.
Tausendmal hatte sie sich in den vergangenen sechs Jahren vorgestellt, Wise in ihrer Gewalt zu haben, ihm eine Pistole an den Kopf zu halten und abzudrücken. Doch nun, da dies in greifbare Nähe rückte, spielten ihre Gefühle verrückt. Ihr war körperlich übel.
Während der letzten Stunden hatte sie oft den verzweifelten Drang nach einem Drink verspürt, mit dem sie ihre Nerven hätte beruhigen können. Im Handschuhfach des Toyota (das wenig über den Besitzer preisgab) hatte sie einen angebrochenen Flachmann mit Whiskey entdeckt. Mehr als einmal war sie in Versuchung geraten, einen Schluck zu trinken, und redete sich ein, ein einziger Schluck würde ihr nach all den miterlebten Grausamkeiten nicht schaden. Aber sie hatte sich unter Kontrolle und widerstand. Dies war nicht der Augenblick, Schwäche zu zeigen.
Stattdessen zündete sie sich eine Zigarette nach der anderen an und durchstöberte die Dateien des Notebooks auf ihrem Schoß. Es hatte Heed gehört, wie auch der USB-Stick für den mobilen Internetzugang, den sie angedockt hatte. Sie war nicht überrascht, auf der Festplatte nichts Interessantes zu finden, denn jemand wie Heed wäre kaum so unvorsichtig, belastendes Material auf seinem Computer zu speichern.
»Wozu nimmst du das Ding überhaupt mit?«, hatte Milne sie gefragt. »Wir müssen es hinterher bloß wieder loswerden. Ich sag dir doch: Du findest nie einen Beweis gegen Paul Wise, der vor Gericht standhält.«
»Ich will wissen, was in dem Koffer ist«, hatte sie erwidert.
»Das können wir Wise fragen, wenn wir ihn haben.«
»Dazu bleibt vielleicht keine Gelegenheit mehr, Dennis. Um ehrlich zu sein, wir haben keine Ahnung, was uns dort erwartet. Wise hat sich vielleicht mit einer ganzen Armee von Leibwächtern umgeben. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass wir die Chance bekommen, ihn zu verhören.«
Milne zuckte mit den Schultern. »Wie auch immer. Heeds Notebook wird dir nichts nützen. Er wusste selbst nicht, was in dem Koffer war.«
»Ich mag keine offenen Fragen. Das sagt der Cop in mir. Irgendwo ist die Lösung verborgen, und da ich im Augenblick nichts Besseres zu tun habe, werde ich versuchen, sie zu finden.« Nach diesem Wortwechsel verfielen sie in brütendes Schweigen.
Sie öffnete den Browser, musste aber einige Zeit warten, denn die Verbindung war langsam. Als sie online war, googelte sie Omar Salic. Obwohl sie es schon vor zwei Tagen erfolglos versucht hatte, dachte sie, es wäre noch einen Versuch wert. Da er sich auch mit Patrick O’Riordan hatte treffen wollen, war ihm vielleicht ebenfalls etwas zugestoßen.
Und tatsächlich. Nachdem sie die üblichen Facebook-und Linkedin-Treffer überflogen hatte, stieß sie auf einen Artikel in der Tageszeitung Manila Bulletin . Er war von gestern und handelte von einem Doppelmord im Tondo-Distrikt. Man hatte einen Omar Salic und seine Frau Soraya ermordet in der gemeinsamen Wohnung gefunden. Sie waren beide erstochen worden, und der Autopsiebericht ließ darauf schließen, dass die Morde am Wochenende begangen worden waren. Beide Leichen wiesen Folterspuren auf,
und die Polizei suchte dringend nach Zeugen. Ein mögliches Motiv wurde nicht erwähnt.
Tina zog noch einmal an ihrer Zigarette und warf den Stummel aus dem Fenster. Sie las den Artikel noch einmal. Dies musste der Omar Salic sein, den O’Riordan am Samstag hatte treffen wollen. Alles andere wäre ein zu großer Zufall, denn der Zeitablauf stimmte, und Salic war sicherlich kein gebräuchlicher Name. Dennoch verhalfen ihr die Informationen zu keiner neuen Erkenntnis.
Trotzdem googelte sie eine Weile weiter, fand aber nichts mehr, was mit den Morden in Zusammenhang stand.
Dann googelte sie noch einmal den Namen Cheeseman. Auch dieses Mal ergab die Suche nichts Verwertbares. Sie fügte das Wort Manila hinzu und erzielte überhaupt keinen Treffer. Anstatt aufzugeben kehrte sie zu ihrer ursprünglichen Suche zurück, ging methodisch alle der scheinbar unzähligen Cheeseman-Einträge durch und versuchte, irgendeine Verbindung zu ihrem Fall herzustellen.
»Findest du was?«, fragte Milne und riss sie aus ihren Gedanken.
»Ich sage dir Bescheid, wenn«, entgegnete sie ungehalten und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Sie war genervt, aber sie gab nicht einfach auf. Niemals. Deshalb war
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