Erlöst mich: Thriller (German Edition)
genügte ihr das, um ihn ein zweites Mal auf dieselbe Stelle zu schlagen, diesmal etwas härter, weil sie mehr Bewegungsfreiheit hatte, auch wenn der Drang, nach Luft zu schnappen, immer heftiger wurde.
Grunzend fasste er nach ihrem Arm, doch dabei musste er sein Gewicht verlagern, und sie schaffte es mit einer halben Drehung, den Kopf hochzubekommen und den Killer von sich zu wälzen. Spritzwasser ergoss sich über die Fliesen, und schon hörte sie die taumelnden Schritte des Russen, der sich wieder berappelt hatte.
»Schlampe«, zischte der Killer, verlor die Beherrschung und schlug mit der Pistole nach ihr, während sie weiter im Wasser miteinander rangen.
Er erwischte sie am Jochbein, sie spürte, wie die Haut aufplatzte, doch das Adrenalin blendete den Schmerz aus, sie konnte sich aufrichten und, immer noch nach Luft schnappend, ihm den Mittelfinger ins Auge rammen. Sie spürte das Weiche des Augapfels und versuchte, ihn herauszureißen. Er heulte auf, verlor die Kontrolle, und sie wälzte sich über ihn und aus der Wanne heraus. Sie packte den Griff des Badezimmerfensters, erinnerte sich nicht, ob es abgeschlossen war oder nicht, aber wenn ja, dann war sie erledigt, denn im Türrahmen erschien bereits laut fluchend der Russe.
Das Fenster flog auf, und Tina kletterte hinaus.
»Hol dir die Schlampe«, zischte der Killer und packte sie am Bein. »Und verpass ihr endlich die Spritze.«
Der Russe war mit zwei, drei schnellen Schritten bei ihr, streckte die Spritze nach vorn, doch Tina spürte die Freiheit und trat dem Killer mit aller Macht ins Gesicht. Der schrie auf, ließ los und riss zum Schutz die Hände vors Gesicht. Und Tina nutzte den Moment, wälzte sich aus dem Fenster und klammerte sich, ehe sie abstürzte, am Sims fest.
Der Russe griff nach ihr, doch Tina landete drei Meter tiefer in ihrem Hinterhof. Obwohl ihr der Schmerz in die Beine stach, rollte sie sich geübt ab und blieb einen Augenblick erschöpft und blutend, aber ansonsten unversehrt liegen.
Von oben starrte der Russe unschlüssig auf sie herab, bis Tina ihm die Entscheidung abnahm und lauthals um Hilfe schrie. Gleichzeitig rappelte sie sich hoch und stolperte auf den Zaun zu, der ihr Grundstück von dem ihrer Nachbarn, den Carters, trennte. Die waren zwar auf einer Kreuzfahrt in der Karibik, doch das wussten ihre Angreifer nicht, und da die Carters über ein elektronisches Wachsystem verfügten, brannten stets einige Lichter im Haus. Zudem gab es genügend Häuser in der Nähe, in denen man ihre Schreie gehört haben dürfte.
Als sie den Zaun erreichte, schrie sie wieder, dann kletterte sie hinüber und verspürte dabei ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit. Als sie sich kurz umwandte, sah sie, dass der Russe nicht mehr am Fenster stand. Sie sprang in den Garten der Carters und hielt einen Moment inne, um wieder zu Atem zu kommen. Sekunden später hörte sie auf der Straßenseite einen Wagen aufheulen und davonjagen.
Tropfend und vor Kälte zitternd, blieb sie eine Minute
lang stehen und zwang sich, nicht zu hyperventilieren. Dabei lauschte sie angestrengt, wie das Motorengeräusch in der Ferne verebbte.
Erst als es völlig verklungen war, wurde sie sich bewusst, dass sie in Sicherheit war.
8
Manila hat all das, was Hongkong nicht hat. Im Zweiten Weltkrieg wurde es während der Kämpfe zwischen Japanern und Amerikanern weitgehend zerstört, und der Wiederaufbau brachte ein riesiges, formloses Gewucher aus flachen Beton- und Ziegelbauten hervor, zwischen denen sich übervölkerte Slums erstreckten, in denen bettelarme Großfamilien in schmutzigen Wellblechhütten hausten, die aussahen, als hätte man sie aus den Beständen einer Müllhalde zurechtgezimmert. Manila ist eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt, deren gut zwanzig Millionen Bewohner auf engstem Raum zusammenleben, während einige wenige Reiche es sich hinter den Hochsicherheitsgattern ihrer schicken, frisch gestrichenen Apartmenthäuser und Villen gut gehen lassen.
Es war lange her, seit ich das letzte Mal hier gewesen war. Etwas über sechs Jahre. Aber es hatte sich nicht viel geändert. Es war immer noch laut und dreckig, immer noch herrschte ein entsetzliches Verkehrschaos, selbst mitten in der Nacht. Ein Gewirr von Autos, Rikschas, Motorrädern, Tricycles mit Beiwagen und den charakteristischen grell lackierten Bussen, die man hier Jeepneys nannte und die die Straßen verstopften, während mein Taxi vom Ninoy Aquino Airport in die Innenstadt
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