Erlöst mich: Thriller (German Edition)
O’Riordan plötzlich entschieden, dass es an der Zeit sei, sich anderen Dingen zuzuwenden. Ich nahm an, irgendjemand hatte ihn bedroht oder gewarnt.
Nachdem ich eine halbe Stunde am PC verbracht hatte, loggte ich mich aus und bereute zutiefst, was ich Patrick O’Riordan angetan hatte. Ich hatte einen aufrechten Mann
ermordet. Ich erinnerte mich an Tinas Abschiedsworte, die schneidende Schärfe ihrer Stimme, als sie mich anfuhr und ihre Verachtung betonte. Einmal mehr spürte ich, wie sehr mein Leben aus dem Ruder gelaufen war.
Zurück auf meinem Zimmer, rief ich Bertie Schagel an und hinterließ eine Nachricht.
Binnen einer Minute rief er zurück.
»Was Neues?«, fragte er herrisch.
Ich schaffte es, meinen Hass unter Kontrolle zu halten.
»Ich habe sie verloren.«
»Wie?«
Ich erzählte ihm, ich sei in Tinas Zimmer eingedrungen, sie wäre aber nicht da gewesen. Ich hätte sechs Stunden auf sie gewartet, sie sei aber nicht zurückgekommen.
Schagel fluchte.
»Das brauche ich nicht. Wo sind Sie jetzt?«
»In der Lobby. Deshalb spreche ich so leise.«
»Okay. Die Ansage lautet: Wenn Sie sich immer noch zur Ruhe setzen wollen, dann finden Sie sie vor morgen Mittag und eliminieren sie. Sonst schicke ich jemand anderes, und unser Deal ist gestorben. Danach rufen Sie mich sofort an.«
Er legte auf, und ich starrte noch lange auf das Telefon. Jetzt hatte ich endgültig alle Brücken hinter mir abgebrochen, und ich fragte mich, ob ich einen furchtbaren Fehler begangen hatte. Einen Moment lang überlegte ich sogar, in Tinas Zimmer zu gehen und Schagels Auftrag zu erledigen. Doch schnell merkte ich, dass dies nur eine vorübergehende Schwäche war, es aber ansonsten nichts zu bedauern gab. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hatte ich das Gefühl, das Richtige zu tun.
Ich schaltete das Handy aus und entfernte die SIM-Karte, ehe ich es in den Papierkorb warf. Dann öffnete ich das Fenster, brach die SIM-Karte entzwei und ließ sie in die warme Abendbrise hinaussegeln. Ich ließ meinen Blick über die flachen zusammengedrängten Häuser schweifen, aus denen nur ab und an ein kleiner Wolkenkratzer herausragte. Die Skyline von Manila. Nicht gerade ein inspirierender Anblick, der mein Gefühl der Einsamkeit noch verstärkte.
Um die Wahrheit zu sagen: Tinas Weigerung, mit mir zu Abend zu essen, hatte mich ziemlich aufgebracht. Es war Monate her, seit ich beim Essen weibliche Gesellschaft gehabt hatte. Die Letzte war Ilsa, eine nicht mehr ganz taufrische Deutsche, die sich nach ihrer Scheidung ein Jahr Urlaub gegönnt hatte. Sie hatte einen Monat lang in Luang Prabang Station gemacht, und in der Zeit hatten wir eine eher unbefriedigende Affäre. Wir suchten beide etwas körperliche Nähe und taten deshalb das Naheliegende, doch als sie zu ihrem nächsten Ziel aufbrach, flossen keine Tränen, es gab nur ein kurzes und schmerzloses Adieu. Ansonsten hatte ich seit Emma keine Frau mehr gehabt.
Emma. Ich musste, wie so oft, wieder an sie denken und versuchte, das zu unterdrücken. Die Vergangenheit konnte ich nicht mehr ändern. Es war vorbei. Zu Ende. Das Einzige, was ich noch tun konnte, war, die Zukunft zu ändern.
Paul Wise. Ein Mann, den ich nie gekannt und dessen Namen ich zuvor nur ein einziges Mal gehört hatte. Das war an einem kalten Wintertag vor mehr als sechs Jahren in England, ein blutender, gebrochener Mann hatte mir gesagt,
er wäre tot. Stattdessen schien er irgendwie mit meinem alten Freund Tomboy vernetzt zu sein. Und damit unauflöslich auch mit mir.
Und nicht nur wegen der vergangenen achtundvierzig Stunden.
Den ersten Job für Bertie Schagel hatte ich in Phnom Penh erledigt, kurz nachdem er die kambodschanische Polizei dazu gebracht hatte, mich laufen zu lassen. Ich hatte für ihn einen Mann namens Robert Sharman eliminiert. Über Sharman wusste ich nur, dass er Privatdetektiv war und Dingen hinterherschnüffelte, die ihn nichts angingen. Damals war ich dankbar, auf freiem Fuß zu sein, und hütete mich, über den Auftrag allzu viel nachzudenken.
Nicht weit von der berühmten Touristenbar ›Heart of Darkness‹ schoss ich ihm mit einer schallgedämpften Neunmillimeter in den Hinterkopf. Er war betrunken und ein leichtes Opfer. Ich erwischte ihn, als er nach einem lautstarken Streit mit einem Rikschafahrer durch die Nacht torkelte. Er schien ein grobschlächtiger, widerwärtiger Kerl zu sein, zumindest rechtfertigte ich es vor mir so, ihn ermordet zu haben.
Aber vorhin im Internet-Café
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