Erlöst mich: Thriller (German Edition)
glaubte ihm. Inzwischen heulte er wirklich. Ich wagte es nicht, mich nach Tina umzudrehen.
»Erzähl mir, wie er aussah.«
»Er war ein Weißer. Englisch. Vielleicht so alt wie Sie, Boss. Blond, wie Ihre Freundin da. Und er hatte Tattoos. Eins am Hals. Eine Schlange oder so was.« Er fuhr sich mit einem schmutzigen Finger über die Kehle. »Hier. Mehr weiß ich nicht, Boss. Bitte.«
Dann hörte ich das Plätschern, und als ich nach unten sah, bildete sich auf dem Boden eine kleine Pfütze. Armes Schwein, dachte ich, und steckte die Pistole weg.
»Danke für deine Gastfreundschaft«, sagte ich leise. »Wenn du je zu irgendjemandem ein Wort über unser Gespräch verlierst, komme ich zurück und bring dich um.«
Er erwiderte nichts. Er stand mit seinen billigen, abgetretenen Schuhen in seiner Pisse und schluchzte vor sich hin.
Ich wandte mich ab, ignorierte Tinas strafenden Blick und ging wortlos nach draußen. Tina folgte mir ebenfalls schweigend.
Erst auf der Straße fand sie die Sprache wieder.
»Das war schrecklich«, stieß sie hervor. Mehr sagte sie nicht, und so gingen wir an den Händlern vorbei die Straße hinunter.
»Es musste sein.«
»Musste es das? Ich wüsste nicht, dass wir auch nur einen Schritt weitergekommen wären. Diese Beschreibung schränkt den Kreis der Verdächtigen ja wohl nicht wirklich ein.«
»Tja, da irrst du dich«, entgegnete ich und drehte mich zu ihr. »Ich weiß genau, wen er meinte.«
»Wen?«
»Meinen alten Informanten und Geschäftspartner. Tomboy Darke.«
29
Damit man uns nicht aufspüren konnte, buchte ich uns zwei getrennte Zimmer in einem kleinen, familienbetriebenen Hotel in einer weniger touristischen Gegend von Manila, wo man Barzahlung akzeptierte. Unterwegs dorthin erzählte ich Tina, wie ich mich mit Tomboy überworfen hatte.
»Er war immer schon ein Schurke und ein Lügner. Aber er war auch eine Type. Ich habe ihn immer für einen kleinen Ganoven gehalten, allerdings für einen relativ ehrgeizigen. Wir waren Kumpel und später Geschäftspartner. Als ich nach England reiste, um herauszufinden, wer meinen alten Kollegen ermordet hatte, stieß ich auf eine Verbindung zwischen Tomboy und einer Gruppe von Pädophilen. Soweit ich weiß, gehörte er selbst zwar nie dazu, doch er war es, der Heidi Robes Leiche verschwinden ließ. Wäre es jemand anderes gewesen, hätte ich ihn zur Rechenschaft gezogen. Aber wie die Dinge lagen, habe ich ihm nur gesagt, wenn er mir je wieder unter die Augen käme, wäre er ein toter Mann.«
»Also kannte er Wise?«
Ich atmete hörbar aus, immer noch durcheinander von dem, was ich vorhin gehört hatte. »Muss er wohl.«
»Glaubst du, er wusste, für wen er die Pistole deponierte?«
Das hatte ich mich auch schon gefragt. »Nein, sonst hätte er es wohl nicht übernommen. Der Punkt ist aber, dass er mit drinsteckt, und deshalb werden wir ihn besuchen müssen.«
»Hast du eine Ahnung, wo er sich aufhält?«
»Früher lebte er auf Mindoro. Wir beide damals. Das liegt drei Stunden südlich von hier. Wir können genauso gut dort anfangen zu suchen.«
Ich sah auf die Uhr. Wir standen vor dem Hostal, inzwischen war es dunkel geworden.
»Es ist ein bisschen spät, um jetzt noch loszufahren. Willst du morgen früh den Süden kennenlernen?«
Sie beäugte mich misstrauisch, wusste immer noch nicht, wie sie meine Absichten deuten sollte. Offen gestanden konnte ich es ihr nicht verübeln. Schließlich nickte sie.
Da ich ihr um jeden Preis demonstrieren wollte, dass ich kein seelenloses Monster war, fragte ich sie, ob sie Lust hätte, irgendwo etwas zu essen, war jedoch nicht überrascht, als sie Nein sagte.
»Ich bin müde und spüre den Jetlag. Ich will einfach nur schlafen.« Wie um das Gesagte zu unterstreichen, begann sie zu gähnen. »Wir sehen uns morgen früh. Sagen wir um neun. Bis dahin sollte ich wieder auf dem Damm sein.«
»In Ordnung. Eins noch, Tina. Vertrau mir. Bitte. Ich weiß, es fällt dir im Augenblick schwer, aber ich werde nichts unternehmen, was dich in Gefahr bringen könnte. Ich verspreche es.«
»Das muss ich wohl, oder?« Sie sah mir in die Augen, ihre Züge blieben verhärtet. »Hör zu, ich weiß es zu schätzen, dass du nicht geschossen hast, als du die Gelegenheit
dazu hattest, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich dich für all das, was du getan hast, verachte. Und immer verachten werde. Vergiss das nicht.«
Und damit drehte sie sich um und ging nach drinnen.
Schweigend und peinlich
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