Erlöst mich: Thriller (German Edition)
recht. Selbst wenn es ihr und Milne gelänge, Wise in seinem Rattennest aufzustöbern, gab es nichts, was sie dann tun könnten. Deshalb hatte sie diesen Gedanken bisher erfolgreich verdrängt.
Sie seufzte. Mike anzurufen war eine Dummheit gewesen.
»Ich verstehe völlig, was du meinst, aber ich verfolge zwei unterschiedliche Spuren, und es würde mir weiterhelfen, wenn du herausfinden könntest, über welchen Besitz und welche Verbindungen Wise hier verfügt.«
Sie wollte noch hinzufügen, er solle auch nachsehen, ob in diesen Zusammenhängen irgendwo der Name Bertie Schagel auftauchte, ließ es jedoch sein. Das hätte noch mehr Fragen aufgeworfen, die sie nicht so einfach beantworten konnte. Und im Augenblick wollte sie Mike gegenüber so ehrlich wie möglich sein.
Mike willigte schließlich ein zu sehen, was er machen
könne, weigerte sich aber, irgendetwas zu versprechen. Aus dem Kopf fielen ihm keine Verbindungen ein, die Wise auf die Philippinen haben könnte. Auch nicht nach Kambodscha. Die SOCA-Ermittlungen gegen Paul Wise waren – so gab er zu – auf höheren Befehl stark eingeschränkt worden, weil es keine konkreten Beweise gegen ihn gab und Wise drohte, jeden zu verklagen, der ihm etwas anderes unterstellte.
Sein Ton verärgerte Tina. »Willst du nicht, dass man ihn erwischt?«, fragte sie barsch. »Nach all dem, was er verbrochen hat? Dabei hätte es genauso gut auch dich erwischen können.«
»Das weiß ich alles«, bellte er zurück. »Und ich habe alles unternommen, um ihn vor Gericht zu bringen, sogar meinen Hals riskiert, um dir zu helfen, und den Preis dafür bezahlt. Aber ich bin auch Pragmatiker. Man kann nicht alle seine Mittel auf einen Mann verschwenden, gegen den man keine Beweise hat.«
Unvermittelt brach er ab und sagte nur noch, er müsse jetzt auflegen. Und dass er sich melden würde, wenn er etwas herausfände. Seine letzten Worte lauteten: »Sei vorsichtig.«
Doch Tina war in ihrem Leben noch nie vorsichtig gewesen, und warum sollte sie ausgerechnet jetzt damit beginnen. Sie wusste es, Mike wusste es. Unter anderem deshalb war ihre Beziehung zu Ende gewesen, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Wie immer würde sie auch jetzt auf ihre bewährte Mischung aus Schläue, Entschlossenheit und Glück setzen müssen, die sie immerhin bis hierher gebracht hatte.
Endlich überwältigte sie die Müdigkeit, sie legte die
Kette vor und machte sich bettfertig – hoffend, dass sie keinen tödlichen Fehler beging, wenn sie dem Mann vertraute, der vor sechs Stunden noch mit einer festen Mordabsicht in ihr Hotelzimmer eingedrungen war.
31
Das Haus war riesig. Es befand sich an einer abgelegenen Straße einige Kilometer nordöstlich des Zentrums von Ternate. Eine hohe Mauer umgab es, und die Vorderseite schützten außerdem eine Reihe alter Mahagoni-Bäume. Es war im spanischen Kolonialstil errichtet, dreigeschossig, hatte ein gedecktes Dach und Läden an den Fenstern. Üppige Efeu- und Bougainvillearanken bedeckten weite Teile der sandfarbenen Mauern. Kein Zweifel, das Anwesen strahlte alteingesessenes Geld und den dazugehörigen Geschmack aus, und ich fragte mich schon, ob es die richtige Adresse war, denn wer hier wohnte, musste reich sein.
Allerdings zog ich Tinas Information nicht in Zweifel, sondern war beeindruckt, wie schnell sie den Aufenthaltsort von Mrs. O’Riordan ausfindig gemacht hatte. Ich hatte ihr das auch gesagt und dafür immerhin ein Kopfnicken geerntet. Von daher war es wohl angemessen, unser Verhältnis als kühl und professionell zu bezeichnen. Und das würde es vermutlich auch bleiben, egal wie lange es andauerte.
Tina hatte den Wagen gemietet, mit dem wir hierhergekommen waren, und darauf bestanden, selbst zu fahren. Unser Plan war schlicht: Wir wollten sehen, was wir aus Mrs. O’Riordan herausbekamen, und dann weiter die
Küste entlang Richtung Mindoro fahren, wo Tomboy hoffentlich noch lebte. Während der eineinhalbstündigen Fahrt hatte ich versucht, ein bisschen das Eis zu brechen, aber Tina hatte schnell deutlich gemacht, dass sie an Small Talk nicht interessiert war.
So wurde es zumindest für mich eine unbehagliche Tour, nicht nur weil Tina sich weigerte, mit mir zu sprechen. Inzwischen würde wohl auch Bertie Schagel bemerkt haben, dass ich ihn hintergangen hatte. Das hieß, er würde mich entweder den Behörden ausliefern oder jemanden schicken, der sowohl Tina als auch mich eliminieren sollte. So oder so befanden wir uns in einem Wettlauf gegen
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