Erlöst mich: Thriller (German Edition)
berührt sah ich ihr nach. Ich war ein Paria, ein Mann, der von niemandem Mitgefühl erwarten konnte. Ein schmerzhafter Gedanke, doch nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, fühlte ich mich nur noch gelegentlich missverstanden. Denn Tatsache war auch, dass ich ein Gewissen hatte. Immer gehabt habe. Ganz egal wie viele Menschen durch meine Hand ihr Leben verloren hatten, ich war keine soziopathische Killermaschine. Ich war einmal ein guter Cop. Und selbst in meinen dunkelsten Augenblicken wollte ich die Welt noch immer zu einem besseren Ort machen. Am Ende befand ich mich nur deshalb in meiner jetzigen Lage und stellte mich gegen den einzigen Menschen, der die Macht hatte, mich zu vernichten, weil mir die Menschen nicht egal waren.
Bertie Schagel kannte nicht nur meine wahre Identität, er hatte mir auch meine falsche besorgt. Er wusste, wie ich aussah, und hatte mehr als einmal durchblicken lassen, dass während unserer Treffen Fotos gemacht worden waren, die er jederzeit an die Polizei weiterleiten konnte. Ich vermutete zudem, dass er über meinen Pass verfolgte, wohin ich reiste und daher wusste, dass ich in Luang Prabang wohnte. Kurz gesagt, er hatte mich bei den Eiern, und ohne seine Hilfe und die falschen Papiere saß ich auf den Philippinen fest.
Meine einzige Hoffnung war, dass er mich nicht an die Polizei ausliefern würde, aus Sorge, es könnte auf ihn zurückfallen.
Da er mich aber mit Sicherheit aus dem Weg haben wollte, war es für ihn das Beste, mich umbringen zu lassen. Ich war nicht der einzige Killer auf seiner Gehaltsliste, und garantiert nicht der brutalste. Die geköpfte Russin in Kuala Lumpur hatte mir das bewiesen. Wenn ich Schagel wäre, würde ich einfach jemanden beauftragen, erst Tina zu töten und dann mich.
Deshalb mussten wir schnell handeln. Doch als ich das Handy checkte, das ich tags zuvor gekauft hatte, stellte ich fest, dass ich drei entgangene Anrufe hatte. Sie stammten von unterdrückten Nummern, das hieß, Schagel hatte versucht, mich zu erreichen, um zu hören, wie es mit Tina aussah. Ich hatte das Handy ausgeschaltet, um das Gespräch mit ihm hinauszuzögern, doch jetzt konnte ich ihn nicht länger hinhalten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er herausfand, dass ich die Seiten gewechselt hatte.
Ehe ich ihn anrief, ging ich allerdings noch in ein Internet-Café auf der anderen Straßenseite. Seit ich angefangen hatte, für Schagel zu arbeiten, hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, nichts mehr über meine Opfer zu lesen, nachdem ich sie umgebracht hatte. Es war besser, nicht zu viel über die Menschen zu wissen, deren Leben man ein Ende gesetzt hatte. Doch heute Abend musste ich mich vergewissern, dass es die richtige Entscheidung war, Tina zu verschonen und damit jegliche Hoffnung auf einen angenehmen Ruhestand in den Hügeln von Laos zunichtegemacht zu haben.
Ich googelte O’Riordan und las alles, was ich über ihn fand, wobei ich mich auf die Artikel konzentrierte, die – wenn man Tina Glauben schenken konnte – sein Schicksal besiegelt hatten. Er hatte drei Artikel über das dreizehnjährige
dänische Mädchen Lene Haagen geschrieben, das 2008 aus ihrem Hotelzimmer verschwunden war. Alle binnen eines Monats nach dem Verschwinden. Einem war ein Foto des Mädchens beigestellt, ein hübsches Ding mit einem prächtigen blonden Lockenkopf und einem breiten Lächeln, das eine Lücke zwischen den Schneidezähnen offenbarte. Obwohl nie eine Spur von ihr gefunden wurde, behauptete O’Riordan in den beiden folgenden Artikeln, Lene sei sehr wahrscheinlich im Auftrag einer Gruppe westlicher Pädophiler verschleppt worden, die über enge Beziehungen zu hohen Persönlichkeiten innerhalb des philippinischen Justizapparats verfügte. Er konnte seine Behauptung mit einer Reihe von Indizien untermauern, darunter dem Hinweis auf zwei weitere Mädchen, die während der vergangenen achtzehn Monate ebenfalls verschwunden waren. Am beeindruckendsten war die Meldung über den Tod des Nachtportiers von Lenes Hotel, der fünf Tage nach Lenes Verschwinden bei einem vermeintlichen Raubüberfall vor seinem Haus erschossen worden war, und den, so O’Riordan, Polizeikreise dringend der Mittäterschaft an der Entführung verdächtigten. Ganz offensichtlich war O’Riordan auf der richtigen Fährte gewesen. Doch plötzlich brach die Artikelserie ab, und so gründlich ich auch suchte, ich konnte keine weiteren Beiträge von ihm über den Fall finden. Es war, als hätten die Welt und
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