Erlöst mich: Thriller (German Edition)
hatten schon vorher besprochen, direkt auf den Punkt zu kommen und Mrs. O’Riordan alles mitzuteilen, was wir wussten. Wenn sie tatsächlich in den Mord verstrickt war, würde sie uns von Schuldgefühlen überwältigt alles erzählen, dachten wir, weil sie sich schämte, auf eine Horde europäischer Kinderschänder hereingefallen zu sein, die ihr Mann gerade an den Pranger stellen wollte.
Deshalb berichtete Tina ihr die Einzelheiten des Verschwindens von Lene Haagen und wie dieses in Zusammenhang mit anderen Fällen stand, um daraufhin den Mord an Nick Penny zu schildern.
Unglücklicherweise funktionierte unsere Theorie nicht. Denn als Tina geendet hatte, sah uns Mrs. O’Riordan ausdruckslos an und sagte nur, von all dem wisse sie nichts.
»Hat Ihr Mann nie mit Ihnen über seine Arbeit gesprochen?« , fragte ich.
»Nein. Das war immer ausschließlich seine Angelegenheit.«
Ich runzelte die Stirn. »Nie? Sie waren dreiundzwanzig Jahre verheiratet, und in dieser Zeit hat er stets als Journalist gearbeitet. Und da haben Sie nie über seine Arbeit gesprochen?«
»Am Anfang vielleicht einige Male. Aber schon lange nicht mehr.«
Dabei sah sie mir unverfroren in die Augen, als wollte sie mich herausfordern, sie eine Lügnerin zu nennen. Trotzdem wirkte sie äußerst angespannt, sie rieb sich die Hände, wippte mit dem Fuß. Auch wenn meine letzte Vernehmung als Polizist schon lange zurücklag und der Tod ihres Mannes sicher einen Schock ausgelöst hatte, sagte mir mein Instinkt, dass ich ihrem Ton nicht trauen durfte.
Sie wusste etwas. Davon war ich überzeugt. Tina schien es ähnlich zu ergehen.
»Wann sind Sie hierhergekommen?«, fragte sie.
»Am Freitag. Eigentlich nur übers Wochenende.«
»Nun wird meine Schwester natürlich länger bleiben«, warf Jean-Paul ein. »Nach allem, was geschehen ist.«
Tina nickte. »Verständlich.« Sie lächelte Mrs. O’Riordan aufmunternd zu. »Wann sind Sie das letzte Mal mit Ihrem Mann hier gewesen?«
Mrs. O’Riordan runzelte die Stirn. »Was hat das mit all dem zu tun?«, fragte sie barsch.
Tina tat, als wäre sie überrascht. »Oh, tut mir leid, einfach nur Neugier.«
Mrs. O’Riordan machte eine wegwerfende Geste. »Das weiß ich nicht mehr. Irgendwann vor Weihnachten, glaube ich.« Sie sah zu Jean-Paul auf, der zu ihr herunterlächelte. »Ich bin leider nicht so häufig hier, wie ich gerne wollte.«
»Wissen Sie, was Ihr Mann am letzten Wochenende vorhatte, Mrs. O’Riordan?«, fragte ich.
Sie musste den Blick von ihrem Bruder wenden und schüttelte den Kopf. »Nein. Arbeiten, vermutlich.«
Ich sah Tina an. Sie nickte unmerklich. Zeit für Plan B.
»Wissen Sie, wer der Mann war, der zusammen mit Ihrem Gatten getötet wurde? Unseren Informationen zufolge
handelte es sich um einen Vincent Baltar, sechsundzwanzig Jahre alt«, sagte ich und berief mich auf eine Zeitungsmeldung.
»Nein. Er wird wohl ein Freund meines Mannes gewesen sein.« Doch das Aufflackern ihrer Augen verriet das Gegenteil. Sie wusste genau, wer er war.
»Vincent Baltar war der Liebhaber Ihres Mannes«, sagte ich, um sie aus der Fassung zu bringen.
Es funktionierte. Sie starrte mich an, als hätte ich sie ins Gesicht geschlagen. Jean-Paul ebenfalls, und der hätte am liebsten zurückgeschlagen. Doppelt so hart.
»Wie können Sie es wagen?«, schrie sie. »Was reden Sie da? Patrick war nicht homosexuell.« Wieder sah sie ihren Bruder an, der immer noch eine schützende Hand auf ihrer Schulter ruhen ließ. »Jean-Paul, sag Ihnen, sie sollen gehen. Sie lügen.«
Wütend funkelnd kam Jean-Paul hinter dem Sofa vor.
Tina und ich standen auf. Unsere Zeit lief ab.
»Mrs. O’Riordan«, sagte Tina lauter als gewöhnlich. »Die Leute, die hinter dem Mord an Ihrem Mann stecken, missbrauchen und töten junge Mädchen. Sie haben selbst Kinder. Stellen Sie sich vor, eine Bande Pädophiler würde sie Ihnen wegnehmen. Wenn Sie auch nur eine Ahnung haben, wer Ihren Mann umgebracht hat, bitte sagen Sie es uns jetzt. Niemand außer uns wird etwas davon erfahren.«
»Nein«, bellte Jean-Paul, packte mich grob am Arm und schob mich zur Tür. »Gehen Sie.«
Im Hosenbund hatte ich unter der Jacke verborgen die Pistole stecken. Ich war versucht, sie zu ziehen, hielt mich aber zurück.
Er versuchte auch Tina anzufassen, doch die schlug wütend
seine Hand weg. »Ich bin Polizeibeamtin«, herrschte sie ihn an. »Wagen Sie es nicht, mich anzurühren.«
Dann wandte sie sich an Mrs. O’Riordan. »Dies ist Ihre
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