Erlöst mich: Thriller (German Edition)
meine Tasche zu kommen. Als meine Finger sich vorwärtstasteten, hielt ich den Atem an. Ich saß in einem ungünstigen Winkel, wie auf dem Präsentierteller. Wenn einer der Cops sich umdrehte, war ich geliefert. Doch zum Glück quatschten sie da vorne munter weiter, ohne sich um mich zu kümmern.
Ich zog das Messer heraus, verbarg es hinter dem Rücken und setzte mich wieder normal hin. Im selben Moment warf der Fahrer einen Blick in den Rückspiegel und sah mich misstrauisch an. Dann sagte er etwas auf Tagalog zu seinem Kollegen. Froschgesicht nickte und antwortete. Eines der Wörter konnte ich heraushören: Patayan . Es bedeutete töten, und als er es aussprach, hatte sich Froschgesicht grinsend zu mir umgewandt und bestätigt, was ich schon wusste.
Ein paar Augenblicke später bog der Streifenwagen in einen schmalen, mit Schlaglöchern übersäten Weg ein. Links und rechts schlugen Äste aufs Dach, es war, als fuhren wir in eine grüne Hölle. Wir näherten uns unserem Ziel.
Hinter meinem Rücken klappte ich den Korkenzieher heraus und dann den kleinen Schraubenzieher, der sich daneben befand.
Nun musste ich die Spitze in das Schloss bringen und es aufkriegen. Doch da ich mit den Handflächen nach außen gefesselt war – so viel hatten auch die Filipinos von den internationalen Polizeistandards mitbekommen –, gestaltete sich das schwierig, zumal, wenn man in einem schlecht gefederten Wagen sitzt.
Mein Herz raste, und die Handgelenke taten mir weh, weil ich meine Hände in eine unnatürliche Position zwingen musste, und gleichzeitig bemühte ich mich, ganz unbeteiligt dreinzuschauen. Der Fahrer sah jetzt öfter in den Rückspiegel, und am Ausdruck seiner Augen erkannte ich, dass er sich hochpushen musste, um dem gewachsen zu sein, was er vorhatte. Einen Menschen kaltblütig zu ermorden, fällt niemandem leicht, egal wie es im Kino aussieht. Es ist das letzte Tabu, und selbst wenn man es öfter getan hat, benötigt man eine unglaubliche Willenskraft, den Abzug zu drücken. Und der Fahrer, da war ich mir ziemlich sicher, war nicht daran gewöhnt.
Wir erreichten eine kleine Lichtung, und der Fahrer bremste ab. Das Sirren der Insekten erfüllte die Luft, und ich konnte Brackwasser riechen.
Ich musste den verdammten Schraubenzieher in das Schloss kriegen. Wenn ich es nicht in der nächsten Minute schaffte, war ich tot.
Langsam. Langsam.
Ich blendete alles aus, alle Geräusche, alle Gedanken, konzentrierte mich nur noch darauf, das Schloss zu knacken.
Der Wagen hielt an, und die beiden Cops stiegen aus. Froschgesicht hielt seine Pumpgun umklammert. Als er die Tür aufriss, überrollte mich die Panik in gewaltigen Wellen. Zum Glück schaute er mich nicht an, weil er sich zunächst umsah, ob irgendwo lästige Zeugen lauerten. Verzweifelt versuchte ich den Schraubenzieher in das Loch zu schieben und brach mir dabei fast die Handgelenke.
Da streckte Froschgesicht seinen Kopf herein und grinste mich an. Jetzt war klar, dass er den Abzug drücken sollte,
und ein Blick in seine toten Augen verriet mir, dass er es konnte.
Plötzlich hörte ich das leise Klicken, als der Schraubenzieher endlich ins Schloss glitt. Sofort lehnte ich mich zurück, drehte ihn und riss mit den Händen die Handschellen auseinander.
Das hatte ich geschafft.
In letzter Sekunde, denn schon packte Froschgesicht mich am Kragen und zerrte mich nach draußen. Ich wehrte mich nicht, sondern behielt die Hände hinter dem Rücken, als wäre ich noch gefesselt. Dabei klappte ich die große Klinge des Messers aus.
Der Fahrer hatte den Wagen vielleicht fünfzehn Meter von dem Sumpfloch abgestellt, das zwischen den Bäumen hindurchschimmerte und tief genug wirkte, um mein Grab zu werden. Nur die Scheinwerfer des Streifenwagens erleuchteten die Szenerie. »Beweg dich«, grunzte Froschgesicht, deutete Richtung Schlammloch und rammte mir den Kolben der Pumpgun in die Rippen. Ich trat in ein Schlagloch und wäre fast gestürzt. Als ich mich wieder aufrichtete, spürte ich einen Regentropfen auf der Stirn.
Der Fahrer war vorne um den Wagen herumgekommen, er hatte seinen Revolver gezogen, ließ ihn aber an der Seite herunterhängen. Der Regen setzte ein, und binnen Sekunden prasselte es auf uns herab.
Beim Gedanken, dies könnte der letzte Regen sein, den ich je im Gesicht spüren würde, überwältigte mich die Todesangst. Fast, denn gleichzeitig flutete eine Adrenalinwelle mein Gehirn und rüttelte mich wach. Angst ist etwas Positives. Wenn man
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