Erlöst mich: Thriller (German Edition)
irgendwo in der Nähe stecken musste, deshalb duckte sie sich, um möglichst kein Ziel abzugeben, tief hinter das Lenkrad und trat das Gaspedal voll durch.
Das Seitenfenster explodierte mit einem trockenen Knall, und ein Schauer von Splittern ergoss sich über sie. Sie schrie auf, verlor die Kontrolle über den Wagen und schrammte nur um Haaresbreite an einem Baum vorbei. Dann reagierte sie, zwang den Wagen zurück auf die Straße und warf einen Blick in den Rückspiegel.
Er stand mitten auf der Straße, eine graue Silhouette mit nach vorn ausgestreckten Händen, und sie konnte sehen, wie ein Feuerball aus der Mündung schoss. Im gleichen
Moment barst die Heckscheibe, und die Kugel sirrte durch den Fahrraum und schlug rechts oben durch die Windschutzscheibe. Tina duckte sich noch tiefer, schaltete hoch und gab Vollgas.
Wieder brach der Wagen hinten aus, schlidderte über den Seitenstreifen und rasierte das Buschwerk, ehe sie mit knapp hundert in ein Schlagloch knallte und schleudernd auf eine Kurve zuraste.
In letzter Sekunde fing sie den Wagen ab und jagte mit quietschenden Reifen durch die Biegung.
Und in diesem Moment, als die Dunkelheit den Mann verschluckte, der zweimal versucht hatte, sie zu töten, ergriff sie eine Woge der Euphorie, die besser war als jede Droge. Nicht einmal Alkohol hatte ihr je so ein befreiendes Gefühl gegeben.
Sie mochte allein und zur Fahndung ausgeschrieben in einem fremden Land sein, aber sie hatte es wieder einmal geschafft.
Im Augenblick war das alles, was zählte.
39
Im Fond des Streifenwagens konnte ich mir schnell zusammenreimen, welchen Plan die Killer verfolgt hatten. Als wir beim Haus auftauchten, sollte ich mit einem der polizeiüblichen Revolver erledigt werden, den einer der beiden benutzt hatte. Dadurch hätte es so ausgesehen, als hätte die Polizei mich, einen flüchtigen Mörder, dabei überrascht und niedergeschossen, während ich im Begriff war, das Haus auszurauben, nachdem ich seine Bewohner ermordet hatte. Tina wollten sie vielleicht sogar lebend verschleppen oder zumindest ihre Leiche wegschaffen, denn wenn man sie im Haus gefunden hätte, wäre das schwieriger zu erklären gewesen. In einem Land wie den Philippinen wäre es ein Leichtes, sie verschwinden zu lassen. Und damit hätten sie den Fall abgeschlossen. Auftrag ausgeführt. Wir würden Paul Wise nicht mehr zu nah kommen.
Zum Glück konnte Tina flüchten, zumindest hoffte ich das. Meine Situation dagegen war heikel. Die Bullen, die mir Handschellen angelegt und mich in den Fond des Wagens gestoßen hatten, hatten zwar gesagt, ich sei festgenommen, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Diese Kerle würden mich umbringen, daran bestand kein Zweifel. Auf den Philippinen wird die Jagd nach Gerechtigkeit
einfach nicht mit dem gleichen Eifer betrieben, wie wir es im Westen gewohnt sind. Das Recht wird gebeugt. Cops werden korrumpiert. Leute sterben.
Der Streifenwagen fuhr jetzt über schmale Nebenstraßen langsam durch die Nacht. Der ältere Cop saß am Steuer, während Froschgesicht mich durch das Stahlgitter, das uns trennte, mit kalten, leeren Augen beobachtete. Irgendwann hatte er genug, drehte sich um und begann, sich mit seinem Kollegen auf Tagalog zu unterhalten.
Die Anstrengungen vorhin hatten mich ziemlich mitgenommen, zumal ich auch noch mit einer verletzten Schulter zu kämpfen hatte. Zum Glück war es nur eine Fleischwunde und lange nicht so übel, wie es hätte ausgehen können. Trotzdem musste ich schnell handeln. Die Türen waren verriegelt, viele Optionen blieben mir nicht. Wenigstens waren die Handschellen einigermaßen alt, die beiden Schellen wurden durch eine kurze Kette zusammengehalten. Dieses Modell war am einfachsten zu knacken. Außerdem hatte der Fahrer einen Riesenfehler begangen. Da er es so eilig gehabt hatte, hatte er mich nicht richtig durchsucht und das kleine Schweizer Armeemesser übersehen, das ich immer in meiner linken Hosentasche mit mir herumtrug.
Das Messer war meine einzige Chance, lebend hier rauszukommen. Plötzlich überfiel mich Panik, zum ersten Mal seit ich damals in dem stickigen Raum auf dem Flughafen von Phnom Penh festgehalten worden war. Für einen Moment lähmte mich der Gedanke, demnächst tot zu sein, kaltblütig exekutiert zu werden wie eines meiner zahlreichen Opfer.
Doch ich kämpfte dagegen an. Ich hatte nicht all die
Jahre überlebt, um im Angesicht des Todes zusammenzubrechen.
Ich bewegte mich möglichst vorsichtig und schaffte es, an
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