Erlösung
nicht, dass sie litt.
„Engel?“ Meine Finger waren dabei ihre Wange zu berühren, aber ehe sie die Wärme ihrer weichen Haut spüren konnten, zog ich meine Hand wieder zurück. Geräusche und der Geruch von mehreren Menschen signalisierte mir, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis sich der Raum mit Ärzten füllen würde. Ich war jetzt fehl am Platz. Also raffte ich mich vom Bett hoch. Meine Klamotten waren noch auf dem Boden verstreut, ich hatte sie gestern Nacht dort liegen lassen, weil Liz sich an meine Brust geschmiegt hatte. Trotz meiner Kälte, wollte sie meine Haut auf ihrer fühlen. Wir hatten eng umschlungen bis zum Morgen zusammen gelegen. Mein erstarrtes Herz krampfte sich bei diesem Gedanken regelrecht zusammen und ich hoffte inständig, dass es nicht unsere letzte gemeinsame Nacht gewesen war.
Die Mediziner kamen den Flur entlang, doch bevor sie unser Zimmer erreichten, hatte ich mich schon in Windeseile angezogen. Es klopfte an der Tür. „Einen Moment noch“, gab ich zurück. Ich ging wieder zu Liz. Hatte sie sich überhaupt nicht bewegt? „Engel, hörst du mich?“ Ich ging vor dem Bett in die Knie. Sie antwortete mir wider Erwarten nicht, deswegen nahm ich ihr Gesicht behutsam in meine Hände, so musste sie mich wenigstens ansehen. Ihre Augen waren glasig und ich hatte das Gefühl, sie würde gleich anfangen zu weinen. Was war ich doch nur für ein empfindungsloser Mistkerl!
„Kann ich irgendetwas tun?“ In Anbetracht dieser absurden Situation war es eine wirklich bescheuerte Frage, aber ich konnte sie hier doch nicht so sitzen lassen.
Lesley schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich möchte, dass du gehst. Ich brauche etwas Zeit.“ Obwohl ich eigentlich mit so einer Antwort hätte rechnen müssen, traf sie mich trotzdem unverhofft. Ich versuchte den Schmerz über ihre Worte zu verdrängen.
„Natürlich. Ich komme später wieder.“ Es klopfte erneut an der Tür und dieses Mal bat ich die Ärzte herein. Drei Männer und zwei Frauen traten ins Zimmer und mehr als ihre Begrüßung bekam ich gar nicht mehr mit. Alles wirkte wieder einmal wie in Zeitlupe. Das Ärzteteam breitete sich aus wie ein Schwarm Bienen. Sie schoben diverse Gerätschaften in den Raum, drängten sich um Lizs Bett und begannen mit medizinischer Fachsimpelei.
Jetzt konnte ich nichts anderes tun, als zu gehen und das zu machen, was Vincent mir geraten hatte.
Ich würde mich ein wenig ablenken; mit der einzigen Sache, die ich neben Lesley zum Leben benötigte. Blut.
Bewährungsprobe
Lesleys Herz schlug schneller, während wir die untere Etage erreichten. Und als wir den Aufzug verließen, fing ihr Puls mit einem Mal zu rasen an. Sie versuchte es vor mir zu verbergen, doch ich spürte es bis in den kleinsten Winkel meines Körpers. Allein schon der Duft ihres wallenden Blutes ließ meinen Kiefer abrupt schmerzen, so intensiv war es mir schon länger nicht mehr vorgekommen. Obwohl ich in diesem Moment überhaupt kein Blut benötigte; ich hatte mehr als vorgesorgt, aber Lizs Geruch war trotzdem zu verführerisch. Es stand selbstverständlich außer Frage meinem Drang nachzugeben und trotzdem hinterließ dieses Gefühl einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Normalerweise sollte so etwas gar nicht sein, eigentlich durfte ich nichts dergleichen empfinden. Ich tat es dennoch. Diese ganze Anspannung hinterließ anscheinend auch bei mir ihre ersten, merkwürdigen Spuren. Und der Gedanke, dass der Rat Lesley ablehnen könnte, war noch beunruhigender als alles andere, das mich zurzeit beschäftigte. Falls einer der Ältesten sie allerdings als Schützling auswählen würde, wäre das natürlich viel besser, doch ich empfand irritierenderweise nicht so. Es war mehr als egoistisch von mir, das wusste ich. Unter der Obhut eines mächtigen Vampirs zu stehen, wäre die beste und vor allem sicherste Wahl für Liz. Meinem Stolz gefiel diese Alternative aber leider gar nicht. Dann drückte sie plötzlich meine Hand. Wir hatten den Korridor schon passiert und standen nun vor der letzten Tür, die uns von dem Rat trennte. Gleich würden wir beide vor den mächtigsten meiner Art stehen und hoffen, sie würden eine Ausnahme machen. Ob Lesley es auch noch wollte? Wünschte sie es sich so sehr wie ich? Ich starrte auf meine Armbanduhr. Noch zwei Minuten, dann würde Vincent uns hereinlassen. Mein Blick glitt zu Liz, die neben mir stand, ihre Hand noch immer in meine gelegt. Wir hatten über den heutigen Morgen nicht
Weitere Kostenlose Bücher