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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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weichen Leder und ich konzentrierte mich auf die Geräusche außerhalb dieses Raumes. Es wäre mir lieber gewesen einfach nur einzuschlafen, um völlig abzuschalten, aber das blieb leider nur den Menschen vergönnt. Ich trauerte dieser Eigenschaft sonst auch nicht nach, nur in solchen Augenblicken wäre es ziemlich praktisch gewesen. Allerdings hatte ich inzwischen gelernt, dass es auch andere Dinge gab mit denen man sich Ablenkung verschaffen konnte. Meine Sinne waren durch das viele Blut der letzten Stunden auf dem Höhepunkt und ich konnte alles wahrnehmen, was sich in diesem Stockwerk abspielte. Rebeccas Herz schlug kraftvoll und gleichmäßig in ihrer Brust und dieser Klang wurde nur von ihren rastlosen Fingern untermalt, die gekonnt über die Tastatur des Computers flogen. Ob ich heraushören konnte, was sie schrieb? Das wäre zumindest für den Moment eine Ablenkung.
     
    Ping. Der Fahrstuhl hatte soeben diese Etage erreicht und ich wusste sofort, wer aussteigen würde.
    Ich hörte Lesleys leichte Schritte üben den Flur kommen. Wie viele Minuten waren inzwischen vergangen? Ich konnte es nicht genau sagen, weil ich mich gezwungen hatte, nicht mehr auf das Ticken der Uhr zu hören und die Sekunden zu zählen. Die Zeit war ohnehin viel zu langsam verstrichen, das konnte einen schon nervös machen. Liz war nun im Vorzimmer und Rebecca begrüßte sie herzlich. Ich stoppte sofort meine Pseudo-Atmung, die nicht mehr als reine Gewohnheit war. Nur allzu menschlich, wie Vincent sagen würde, aber vielleicht hielt ich gerade deswegen an dieser Eigenart fest. Jedes Mal schoss mir dieser Gedanke in den Sinn und womöglich war es tatsächlich bloß ein letzter minimalistischer Rest an Menschlichkeit, die ich mir bewahren wollte, egal wie überflüssig das eigentlich war.
    Dann öffnete sich die Zimmertür und Lesley kam herein. Mehr als ein knappes: „Hallo“, brachte ich nicht über meine Lippen.
    „Hallo“, entgegnete sie ebenso kurz. Sie schloss die Tür hinter sich und kam zu mir herüber. Ich saß immer noch regungslos wie eine Statue auf der Couch, unfähig mich zu rühren. Mein Mund fühlte sich irgendwie trocken an, was es mir nur noch schwerer machte, meine Frage zu stellen. „Was haben sie gesagt?“
    „Keine Ahnung, ich glaube, dass mein Kopf gerade einfach nur leer zu sein scheint. Ich kriege irgendwie alles nicht mehr zusammen.“ Mein Engel zuckte mit den Schultern. „Sie haben mir einige Fragen gestellt und ich habe sie alle beantwortet. Ob die Wahrheit allerdings das war, was sie hören wollten, weiß ich nicht.“ Sie ließ sich seufzend neben mir nieder. Wie gern wollte ich sie in meine Arme nehmen.
     „Wahrscheinlich werden sie mit der Entscheidung warten, bis wir aus Schottland zurück sind“, mutmaßte ich mehr zu mir selbst. Ich spürte Liz Blick auf mir und als ich sie ansah, wirkte sie traurig. Meine Gedanken befassten sich wieder automatisch mit heute Morgen, an dem ich ihr gestanden hatte, die Erinnerungen ihres Vaters gelöscht zu haben. Es machte für mich dabei kaum einen Unterschied, wer Hand an Richard Ashton gelegt hatte. Da ich Peter nicht aufgehalten hatte, hätte ich es ebenso gut selbst tun können.
    „Engel, ich kann dich nur um Verzeihung bitten…“ So viel was mir im Kopf herumschwirrte und so wenig Worte, die ausdrücken konnten, was ich wirklich empfand. „Bitte glaub´ mir, wenn ich dir sage, dass ich es sehr bedauere, dass dein Vater mit in diese Sache gezogen wurde.“
    „Ich weiß…“ Sie starrte auf ihre Hände. „Wer kann schon sagen, ob es für meinen Vater so nicht besser ist. Wie hätte ich mich auch je von ihm verabschieden können? Ich hätte schließlich nicht sagen können, mach´s gut, Dad, ich werde dich nie wieder sehen, weil ich bald ein Vampir bin…“ Sie lachte freudlos. „Jetzt hat er alle schlimmen Ereignisse vergessen und ein neues Leben liegt vor ihm. Er hat ja noch immer genug Geld und Newton wird sich um ihn kümmern, das weiß ich.“ So wie sie es sagte, konnte man tatsächlich denken, dass es die beste Alternative für Ashton war. Und auch für sie, denn der Verlustschmerz hielt sich so möglicherweise noch in Grenzen. Doch was wusste ich schon?
     Ich wollte mir nie ausmalen, wie es sich anfühlen musste, einem geliebten Menschen `Lebewohl´ zu sagen und das mit dem Bewusstsein, dass man ihn nicht mehr sehen durfte und ihm zum Abschluss auch noch eine Lüge auftischte. Ich hatte meine Eltern auch nie mehr wieder gesehen, es gab kein

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