Erlösung
mehr sprechen können und das machte mich fast verrückt. Ich war gegangen und ich hatte mich gestärkt. Dieses Mal auf eine kultivierte, weitaus unauffälligere Weise als bei meinem letzten Besuch.
Es gab mehrere Möglichkeiten für die Ältesten an Blut zu kommen und es hatte nichts von meinem damaligen Aussetzer, bei dem ich fast einen unschuldigen Passanten in einem Züricher Café ausgesaugt hätte. Diesen Tag würde ich wohl nie vergessen, so einen Fehltritt hatte ich mir vorher nicht einmal geleistet. Selbst in meiner Anfangsphase als Vampir war ich nicht so unkontrolliert gewesen. So etwas würde nie wieder geschehen, das hatte ich mir geschworen.
„Wegen heute Vormittag…“, begann ich jetzt zögernd. Lesley sah zu mir auf und ihr Blick brannte beinahe wie Feuer.
„Die Ärzte waren sehr nett und es geht mir soweit ganz gut.“ Ihre Worte klangen kühl und distanziert. Wer konnte es ihr verdenken? Nachdem ich aus der Blutbank zurückgekommen war, hatten wir uns nicht mehr wirklich unterhalten können. Vincent hatte mich angewiesen sie sofort nach unten zu bringen und ich war seiner Aufforderung nachgekommen. „Das habe ich nicht gemeint. Ich…“
„Ich weiß, was du sagen willst.“ Sie schaute nun auf den Boden. „Lass uns später darüber reden. Ich will… ich muss mich auf etwas anderes konzentrieren, sonst halte ich das gleich nicht aus.“
„Ja, natürlich. Das ist wohl nicht der passende Augenblick, um mit dir darüber zu sprechen“, gestand ich leise. Ein Klicken ertönte und meine gesamte Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf die Tür vor uns. „Es ist soweit.“
Liz atmete tief durch und in der nächsten Sekunde öffnete sich die Schiebetür. Sie glitt beinahe geräuschlos zur Seite und verschwand dann vollständig in der Wand.
„Kommt herein.“ Es war Vincent, der uns empfing und uns bedeutete einzutreten.
Ich führte meinen Engel in den Raum, ohne sie dabei loszulassen. Die Lampen spendeten so gut wie kein Licht und in diesem Halbdunkel konnte sie zweifelsohne kaum etwas erkennen. Nicht die Mitglieder, die halbkreisförmig vor uns saßen, geschweige denn den Stuhl, den man in der Mitte des Saals postiert hatte. Das war mir neu, also verbuchte ich diese zuvorkommende Geste schon mal als Pluspunkt.
„Es ist vermutlich zu finster für dich.“ Mehr eine Schlussfolgerung als eine Frage, die vom ältesten Mitglied stammte, also erwartete er vermutlich keine Antwort. Das Licht im Zimmer wurde unverzüglich heller und ich fragte mich, wie das möglich war. Keiner hatte sich bewegt. Abgesehen davon, konnte ich keinen einzigen Lichtschalter an den Wänden ausmachen. Gab es Sensoren?
„Bitte“, das Oberhaupt forderte Lesley auf, Platz zu nehmen. Liz nickte und setzte sich.
„Danke.“ Es klang nicht so verschüchtert, wie ich es vielleicht erwartet hätte. Warum sollte ich das überhaupt denken? Sie war stärker als die meisten Menschen und sie hatte in ihrem bisherigen Leben mit einigen schlimmen Dingen zu tun gehabt, also wieso sollte sie mit ein paar Vampiren nicht fertig werden?
„Wie war das?“ Ein Ratsmitglied sah mich irritiert an. Hatte ich das etwa laut gesagt? Oder wurden meine Gedanken gelesen?
„Nichts, Sir.“ Ich stellte mich neben Lesley – ihre Hand immer noch in meiner – und versuchte von jetzt an nichts mehr zu sagen oder zu denken.
„Du weißt, wieso du hier bist.“ Es war wieder keine wirkliche Frage, die der Ratsführer direkt an Liz gerichtet hatte.
Sie nickte sofort. „Ja, Sir.“ Sie zollte Respekt, das war schon mal gut.
„Wir wollen uns nicht über die verbotene Beziehung zwischen Nicholas und dir unterhalten, das hatten wir bereits. Uns interessiert vielmehr, was dich dazu bewegt, dich verwandeln lassen zu wollen.“
Ich suchte Vincents Blick, doch er beobachtete – wie alle anderen – Lesley, während das Oberhaupt weiter sprach. „Dass dir die Zeit davon läuft, weil der Krebs unablässig dabei ist, dich von innen komplett zu zerstören, wissen wir zwar, doch würdest du auch ein Vampir werden wollen, wenn es nicht so wäre?“ Der Älteste beugte sich ein wenig nach vorne und das Licht fing bloß die dunkelsten Schatten und Umrisse seines markanten Gesichts ein. Seine Augen glänzten fast schon gefährlich. „Nie wieder etwas essen außer Blut, kein Sonnenlicht mehr und niemals Kinder in diese Welt setzen, damit könntest du leben… hm, könntest du es auch, wenn du gesund wärst?“ Er machte eine Pause und es war an Liz,
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