Erlösung
effektiv. Er sollte perfekt sitzen und dich in keiner deiner Bewegungen einschränken. Probier ihn an, falls er nicht optimal passt, ändern wir das noch kurzfristig.“ Ob wir alle so einen Anzug tragen würden? Ich war gespannt.
Eine andere Liga
Vor uns erstreckten sich die weitläufigen und beeindruckenden Grampian Gebirgszüge. Wir waren in den nördlichsten Winkel Schottlands gereist. Die Hälfte des Weges in die Berge hatten wir sogar zu Fuß zurückgelegt. Vincent war sich trotzdem ziemlich sicher, dass man unsere Anwesenheit bald bemerken würde. Kurz vor unserem Aufbruch hatte er dem Rat gegenüber offen gelegt, dass er Elisabeths Zögling war, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit würde sie ihn spüren, je näher er ihr kam. Ich hatte zuerst erwartet, dass man ihm ausreden würde, mit uns zu kommen, doch das hatten sie nicht getan. Vermutlich wussten sie, dass sich Vincent ohnehin nicht davon hätte abbringen lassen. Ich war jedenfalls froh, ihn an meiner Seite zu wissen. Der Kampf an sich jagte mir keine Angst ein, ich war erprobt, wenngleich mir natürlich bewusst war, dass wir nicht nur auf Neuankömmlinge treffen würden. Elisabeth und einige ihrer Verbündeten waren sehr mächtige Vampire. Die bisherigen Gefechte, an denen ich beteiligt gewesen war, hatten eine ganz andere Klasse gehabt; mal abgesehen von dem Aufeinandertreffen mit Crane. Und gegen ihn hatte ich nicht wirklich bestehen können.
„Nicholas, komm, hier runter.“ Die Stimme meines Schöpfers holte mich in die Gegenwart zurück. Es war irgendwie merkwürdig ihn in voller Kampfmontur zu sehen und vielleicht war es auch bisher das einzige Mal, dass er keinen edlen Designeranzug trug, allerdings war diese Kleidung immerhin auch maßgeschneidert. Über die Bewegungsfreiheit konnte man jedenfalls nicht meckern.
„Wären wir nicht hier, um einen Krieg zu vermeiden, dann könnte ich diese raue Wildnis vielleicht sogar genießen.“
„Ja, es ist klar, warum Elisabeth sich hierher zurückgezogen hat“, antwortete er. „Zum einen ist es angenehm kalt, dann noch recht abgelegen und sicherlich ist es recht dünn besiedelt.“
„Aber immerhin liegt ein Skigebiet in der näheren Umgebung.“
„Aviemore“, warf das Oberhaupt unerwartet ein. „Hm, ob in der letzten Zeit ein paar Skifahrer oder Wanderer abhanden gekommen sind?“
Vincents Stirn legte sich kurzzeitig in Falten. „Es gibt etwas viel gefährlicheres als Lawinen und ungesicherte Pisten, das sollte hier auf den Schildern stehen.“ Bei der Vorstellung musste ich unwillkürlich grinsen.
„Würde sich bestimmt gut in der Touristenbroschüre machen.“ Ich erhielt prompt ein schiefes Lächeln von ihm. Wir änderten wieder die Richtung und sprangen weiter an den zerklüfteten Felsen der Küste entlang, damit wir nicht unbedingt sofort sichtbar waren. Von mehreren Seiten zuzuschlagen erschien uns ohnehin geeigneter als einen Frontalangriff zu starten. Möglicherweise konnten wir das Überraschungsmoment ausnutzen. Ein winziger Hoffnungsschimmer, aber da wir sowieso keine andere wirkliche Alternative hatten, mussten wir uns damit zufrieden geben.
Vor zwei Tagen hatte sich unser Spion gemeldet und seine Koordinaten gaben uns einen möglichen Aufenthaltsort an, der oberhalb Cairngorms liegen sollte. Da er sich seitdem nicht mehr gemeldet hatte, war die Chance ziemlich groß, dass wir genau am richtigen Ort angekommen waren. Elisabeth oder einer ihrer Handlanger hatten ihn sicherlich in die Finger gekriegt, dann würden wir ihn garantiert nie wieder sehen. Als wir auf einer leichten Erhebung stoppten, gab mir Vincent sein Fernglas. Aus dieser Entfernung konnte ich zwar sehen, dass sich in einigen hundert Yards etwas vor uns befand, aber ich hatte nicht erkannt, dass es sich bloß um eine halb zerfallene Ruine handelte. Sie lag mitten auf einem riesigen Felsvorsprung, der größtenteils ins Meer ragte.
„Das ist es!“ Er sagte es mit so einer Bestimmtheit, dass wohl kein Zweifel bestand. Zugegeben, ich hatte eine exklusivere Unterkunft erwartet, aber vermutlich war diese Wahl gerade deswegen so ideal. Die Schilder signalisierten einem schon von weitem, dass man das komplette Gelände aus Sicherheitsgründen nicht betreten durfte. Wartungs- und Sanierungsarbeiten, die dafür sorgen sollten, dass das uralte Anwesen irgendwann wieder besuchertauglich gemacht werden konnte. Wohl eher menschentauglich, schoss es mir durch den Kopf. Für uns war auch diese Hürde überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher