Erlösung
letztes Gespräch, keine allerletzte Umarmung. War es besser so? Das würde ich nie erfahren.
Liz starrte mich an und ich erwiderte ihren tiefen Blick. „Hast du Peter eigentlich verziehen?“, fragte sie dann leise. „Ich meine, er war dein Freund und…“ Sie brach ab, als meine Finger zärtlich über ihre strichen. Für einen winzigen Moment dachte ich, sie würde ihre Hand wegziehen. Aber sie blieb da, wo sie war.
„Ich bin nur ein kleiner Teil vom Ganzen und die Erhaltung meiner Art steht an erster Stelle, zumindest für alle anderen Vampire. Meine Prioritäten haben sich verschoben. Für mich bist du das Wichtigste, Engel.“ Ich nahm ihre Hände an meine Lippen und ich küsste sanft die weiche Haut auf ihrem Handrücken. „Ich gebe zu, dass ich Peter verstehen kann, nur allzu gut, denn wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich vermutlich in vielerlei Hinsicht so agiert wie er. Nur hat sich seine Trauer in Wut gewandelt und er hat die Kontrolle verloren. Und das, was er dir angetan hat, werde ich ihm nie verzeihen können. Ich denke, dass er das weiß. Viel wichtiger ist ihm jedoch, dass du ihm vergibst. Ich kann mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass er deine Mutter wirklich sehr geliebt hat und dass er dir gegenüber niemals so ausgerastet wäre, wenn er gewusst hätte, dass du...“
„Ja, ich weiß“, unterbrach sie mich nickend. Vincents sanfte Schritte ertönten plötzlich auf dem Korridor und ich wusste sofort, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, ehe dieser Augenblick vorüber war. Ich würde aufbrechen müssen, ohne zu wissen, welche Entscheidung die Ältesten letztendlich im Stillen getroffen hatten. Alles in mir war sich ziemlich sicher, dass sie bereits abgestimmt hatten, aber ich behielt es für mich. Denn sagen würden sie es uns garantiert noch nicht, vor allem dann nicht, wenn es eher negativ war.
„Es dauert nicht mehr lange, bis wir uns auf den Weg machen. Und du weißt, dass ich mitgehen muss, aber ich kann nicht gehen, wenn ich nicht weiß, was mit uns ist.“ Draußen unterhielt sich Vincent mit Rebecca, doch ich blendete das Gespräch aus. Lesleys Gesichtsausdruck veränderte sich und ein warmes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Jenes Lächeln, das ich so sehr liebte.
„Bitte komm´ einfach zu mir zurück.“ Es waren nur sechs Worte, der Kloß in meinem Hals und die Schwere in meinem Herzen waren dennoch sofort verschwunden. Ich ignorierte meine innere Stimme, die sich erneut über meine Rührseligkeit beschwerte, zumal ich als Vampir normalerweise zu solchen Regungen überhaupt nicht imstande sein sollte. Meine Hände legten sich um Lizs heiße Wangen und ich zog ihr Gesicht sanft zu mir, um sie zu küssen. Vincent war inzwischen hereingekommen und er schien etwas zu sagen, doch die Bedeutung seiner Worte konnte für den kurzen Augenblick nicht bis zu meinem Bewusstsein durchdringen. Erst als mein Engel sich von mir löste und sich zu ihm wandte, sah auch ich ihn an. Sein Blick war durchdringend, aber er sagte nichts.
„Wie habe ich mich gemacht?“, fragte Lesley ihn stattdessen.
„Bezaubernd, so wie immer“, er lächelte sie an. „Es war gut, dass du ehrlich warst und die Chancen stehen weitaus besser als bei Nicholas und seinem ersten Versuch, sich für dich einzusetzen.“ Jetzt fixierte er mich. „Nun ist es an dir, das Beste daraus zu machen. Du kannst dir bestimmt denken, dass es ebenfalls darauf ankommt, wie du dich in Schottland schlägst.“ Er legte eine Hand auf Lizs und eine auf meine Schulter. „Ich bin zuversichtlich, dass ihr auch diese Hürde mit Bravour bestehen werdet. Und für den Fall der Fälle…“, er fing an zu grinsen, „bin ich schließlich auch noch da.“ Es klang so einfach. Die Last unseres bevorstehenden Auftrages wog plötzlich viel weniger. Ich fragte mich, wie er es nur anstellte, immer so gelassen und ruhig zu bleiben. Möglicherweise sorgte die jahrhundertelange Erfahrung dafür, dass man irgendwann befreiter auftreten konnte. Noch einen Punkt auf den man sich freuen musste.
„Wir brechen in einer halben Stunde auf. Dein Outfit liegt übrigens in Lesley Zimmer.“
„Mein Outfit?“ Meine Ausrüstung bestand normalerweise nur aus bequemer, kampfgeeigneter Kleidung. Jeden weiteren Schnickschnack ersparte ich mir, mein Körper und meine Fänge waren für mich Waffen genug.
Vincents Grinsen wurde breit. „Oh ja, du wirst dich wundern. Ein Hightechanzug, im ersten Moment vielleicht etwas ungewohnt, aber sehr
Weitere Kostenlose Bücher