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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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kein Problem, die Frage war nicht, ob wir das Grundstück betreten konnten, sondern eher, wie wir vorgehen wollten. Von vorne würde ein Zugriff absolut kein Problem sein, aber ein Teil konnte auch vom Meer aus einen Angriff wagen. In diesem Fall würde allerdings ein Anderer diese Entscheidung treffen, denn das Kommando oblag dem Oberhaupt des Rats. Er dirigierte uns im nächsten Moment allerdings nicht weiter nach vorne, sondern weiter nach unten. Die Wellen wurden höher, je weiter wir die Klippen hinab kletterten. Das Wasser leckte jetzt gierig an meinem Körper und meiner Kleidung, aber es kümmerte mich kaum. Die raue See konnte soviel an mir zerren wie sie wollte, sie würde mich nicht mit sich fortspülen.
    „Da drüben“, das Oberhaupt deutete ein kleines Stück zur Seite. „Dort hinten finden wir einen Platz zum warten.“ Ich konnte ein Loch in der Felswand erkennen. War es eine Höhle? Aber wieso wollten wir überhaupt warten? Und worauf? In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen, das konnte bestimmt jeder von uns bereits fühlen. Wir konnten doch nicht einfach nur darauf hoffen, dass genug Wolken am Himmel stehen würden, um unseren größten Feind vor uns abzuschirmen. Der Weg bis zur Festung war vielleicht nicht allzu fern, aber definitiv zu weit, um durch die Sonne zu rennen. Mein Unverständnis stand mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben, denn als Vincent mich ansah, grinste er nur. Kurz darauf verschwand er in den Felsen. Also kletterte ich ebenfalls in den Hohlraum, der sich tatsächlich als eine Art Gewölbe entpuppte. Viel Platz hatten wir nicht, es war unmöglich von hier aus einen unterirdischen Angriffsversuch zu starten. Nur ein einziger, winziger Spalt führte weiter ins Innere des Gesteins, da würde keiner von uns durch passen und wer wusste schon, wo dieser Gang endete.
    „Sir, wenn wir zu lange ausharren, werden wir durch die Sonne gezwungen sein, hier zu bleiben.“ Diese Tatsache musste ihm bewusst sein, aber die Worte kamen trotzdem einfach aus meinem Mund.
    „Ja, was hast du dagegen zu setzen?“ Vincent richtete seine Worte an das älteste Mitglied des Rats. Er klang scheinbar amüsiert, als wäre meine Feststellung bloß ein Witz gewesen. „Du hast doch bestimmt einen Plan, Aribo.“ Hatte ich den Namen des Ältesten schon mal gehört?
    Vincent hatte mal von einem deutschen Adelsgeschlecht im elften Jahrhundert gesprochen, doch an den Zusammenhang konnte ich mich nicht mehr so recht erinnern.
    „Wie immer, mein Lieber“, antwortete das Oberhaupt ruhig und gelassen. „Wenn es nötig sein wird, die Sonne hinter einer Wolkendecke verschwinden zu lassen, dann wird es geschehen.“ Der Satz war wohl eher an mich gerichtet, aber ich verstand trotzdem noch nicht wirklich, was das Ganze zu bedeuten hatte.
    „Besondere Fähigkeiten, schon vergessen?“ Der Letzte unseren Trupps kroch in die Höhle. „Jetzt spielst du in einer anderen Liga.“ Lucas nickte mir lächelnd zu. Ich hatte nie vergessen, dass er mir bei meinem ersten Treffen mit dem Rat zur Seite gestanden hatte. Er war neben Vincent auf meiner Seite gewesen und hätte es mir wohl sofort erlaubt, meinen Engel zu unseresgleichen zu machen. Vielleicht weil er seine Gefährtin auch früh getroffen hatte. Ihm war, ebenso wie mir, schnell bewusst gewesen, dass es eine schicksalshafte Begegnung gewesen war und dass sich der Mensch nicht mehr so einfach aus seinem Leben stehlen konnte. Sie waren schon Jahrhunderte zusammen, was für ein Glück das sein musste. Ich kam nicht umhin an Lesley zu denken, ich wollte unbedingt wieder zu ihr zurück.
    „Wir werden also warten, bis die Sonne aufgeht.“ Vincents Äußerung klang mehr wie eine Schlussfolgerung als eine Frage.
    Aribo nickte. „So ist es.“ Er nahm einen kleinen Rucksack, dem ich vorher keine Beachtung geschenkt hatte, von seinem Rücken. Als er ihn öffnete, bildeten sich auf meinem ratlosen Gesicht wahrscheinlich bloß noch mehr Fragezeichen. Waren das etwa Masken?
    Er reichte jedem von uns eine. Die Dinger sahen ein bisschen aus wie Skimasken. Bei genauerer Betrachtung konnte ich aber irgendwie keine Löcher für Augen, Nase oder Mund finden. Mein Blick glitt unweigerlich zu Vincent, da er aber nicht reagierte, starrte ich wieder das Oberhaupt an.
    „Wir werden also im Morgengrauen angreifen, ganz wie in alten Zeiten. Ein jeder tritt für den anderen ein, ganz egal welche Stellung der andere hat. Im Kampf sind wir alle gleich.“ Der Älteste fixierte mich

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