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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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sofort wieder, weil er mir in dieser Situation mehr als absurd erschien. Oder etwa nicht? Dann blitzte ein eigenartiger, durchdringender Funke in Elisabeths Augen auf.
    „Du hast es gesehen“, stöhnte sie leise. Und sie erhielt von ihm keine Antwort, aber sie hatte wohl auch keine erwartet. „Deswegen bist du hierher gekommen“, schlussfolgerte sie selbst, „obwohl du wusstest, dass ich dich spüre und auf dich warte. Weil du gesehen hast, dass wir beide heute fallen werden…“ Resignation klang aus jedem ihrer Worte.
    „Niemand konnte je so gut Gedanken lesen wie du.“ Vincents Stimme klang nun rauer und schwerfällig. „Ich habe vor langer Zeit gelernt, dich aus meinem Kopf raus und von meinen Gedanken fern zu halten. Aber nun ist es nicht mehr wichtig. Es ist unser Schicksal und ich bin bereit dafür. Das hier ist das Ende in unserer Geschichte…“
     Elisabeths Qualen wurden währenddessen schlimmer. Die Legierung musste ihr Herz optimal getroffen und in Windeseile vergiftet haben. Es war für die Säure leicht, sich weiter im gesamten Körper zu verteilen.
    „Nein, nicht so!“ Sie fauchte, zappelte und versuchte vergeblich, Vincent von sich zuschieben. Aber er hielt sie weiterhin in seiner eisernen Umklammerung, keine Ahnung, wie er diese letzte Kraft mobilisierte. Und nach wenigen Augenblicken zeigten sich auf ihren beiden Gesichtern die ersten Spuren der Legierung. Dunkle, graue Linien, die beinahe wie Risse aussahen, wanderten unaufhaltsam ihre Wangen hinab. Es zischte, begann zu rauchen und die Säure bahnte sich unausweichlich ihren zerstörerischen Weg, um aus dem Blutkreislauf an die Oberfläche zu kommen.
    „Vincent, bitte lass mich dir helfen.“ Es klang gequält, weil ich mir so unendlich hilflos vorkam.
    „Nicholas“, er schaute mich durchdringend an. „Schnapp dir Lucas und dann verschwindet von hier! Ein neuer Abschnitt wird beginnen, du musst ihn bloß akzeptieren. Schenke Lesley endlich die Unsterblichkeit, die euch auf ewig verbinden wird.“ In Vincents Blick lag ein letzter Rest von Fürsorge. Dann schien ihn eine neue Welle des Leids zu erreichen. Er schloss die Augen und stöhnte auf.
    „Der Rat hat entschieden?“, fragte ich mechanisch. Ich fühlte mich plötzlich wie gelähmt.
    „Es ist beschlossen. Das war es sofort“, ächzte er. „Kein Ältester hat gegen euch gestimmt, mein Junge. Und wir waren uns noch niemals zuvor in einer Sache so einig.“ Er sah mich noch einmal an, doch sein liebevolles Lächeln erstarb nach wenigen Sekunden, als die Säure seinen Unterkiefer verätzte. Der unsägliche Schmerz, ließ jetzt ihre beiden Körper krampfen. Die Kälte breitete sich in meinem Inneren aus und ich konnte einfach nur dastehen, wie ein verlorener Sohn, der seinem Vater beim Sterben zusehen musste. Es gab so viel, was ich ihm sagen wollte, so viel, was ich gerade fühlte.
    „Danke“, meine Stimme brach. Kein weiteres Wort kroch mehr über meine Lippen, weil es nichts von dem widergespiegelt hätte, was ich tatsächlich empfand. Ich wusste, dass er mich dennoch verstand. Das Band unserer Verbindung war stärker und mächtiger als jedes Geständnis, das man aussprechen konnte.
    Elisabeths Kopf kippte zur Seite und ich konnte ihr Gesicht nicht mehr sehen, aber sie zeigte keinerlei Regung mehr. Es gab nur noch eine Sache, mit der man sich aus dieser Lage befreien konnte. Blut. Und ich wollte es Vincent geben. Ich hätte ihm alles von mir gegeben
    …aber er wollte es nicht.

 
    Überlebt
     
     
    Mein Gewissen schwieg, mein Innerstes war zerrissen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, denn die Bilder flackerten in meinem Kopf umher. War das gerade passiert? Ich bewegte mich steif und taumelte durch die Gänge der Ruine. Lucas hing schlaff über meiner Schulter, er hatte sich bisher nicht einmal bewegt. Kein Lebenszeichen. Aufgeben wollte ich ihn trotzdem nicht. Ich hatte es ihm versprochen. Vincent. Allein schon an seinen Namen zu denken, versetzte mir einen heftigen Stich. Es war seine letzte Order an mich gewesen und ich hatte ihm gehorcht. Ich war gegangen und hatte ihn zurück gelassen, so wie er es von mir verlangt hatte. Er hatte sein Ende ohne mich kommen sehen und es allein bestritten. Mein Herz fühlte sich an, als hätte mir jemand ein Messer hineingerammt. Was nutzte es einem, als Vampir so kalt und unnahbar zu sein, wenn man in so einem Moment doch fühlte wie ein Mensch? Ich hoffte auf keine Antwort mehr. Meine Beine gehorchten dem Rest meines

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