Erlösung
Kopf. „Rebecca weint schon den ganzen Morgen.“ Lesleys Finger strichen sanft durch mein Haar. „Und ich konnte die ganze Zeit über an nichts anderes denken als an dich. Ich bin so unsagbar froh und dankbar, dass du hier bist, Nicholas…“ Wie glücklich ich über diese Worte war.
„Und ich werde dich nie wieder allein lassen. Niemals.“
„Das ist gut, mehr will ich auch gar nicht.“ Das Lächeln in ihrer Stimme war deutlich herauszuhören.
„Vielleicht doch.“ Ich hob meinen Kopf, um sie anzusehen. „Es gibt nämlich noch eine Sache, die nicht länger zwischen uns steht.“ Ich umarmte sie etwas fester. „Der Rat hat sich endlich entschieden und er ist nicht gegen uns. Nicht mehr.“
„Sie erlauben es?“ Ihre Stimme wurde leiser, beinahe andächtig. „Ich werde eine von euch?“ Als ich nur nickte, lachte sie befreit. „Ich kann es kaum glauben, das ist… ich dachte…“ Sie stockte, doch ich wusste wie der Satz enden sollte. Aribo hatte mir verraten, wie selbstlos Liz gewesen war, sogar noch im Angesicht ihres bevorstehenden Todes hatte sie bloß an mein Wohlergehen gedacht.
Ich stand auf und meine Finger legten sich zärtlich um ihr Kinn. „Ich schätze, du bist bisher der einzige Mensch, der die Ältesten wirklich und wahrhaftig beeindrucken konnte.“
„Das stimmt und es ist nicht leicht, uns zu überzeugen.“ Aribos Worte ließen uns beide herumwirbeln. „Wollt ihr auf den Stufen Wurzeln schlagen oder möchtet ihr nicht doch lieber hereinkommen? Für eine Sterbliche ist es draußen mittlerweile viel zu kalt geworden, jedenfalls in dieser Kleidung.“ Lesley trug nur einen dünnen Pullover, der neben ihrer Jeans bestimmt nicht sonderlich warm war.
„Ich friere nicht.“ Trotzdem griff ich sofort nach ihrer Hand und ich zog sie mit in die großzügige Empfangshalle. Meine Sinne registrierten sofort die Umgebung, aber konnte das sein. Hatte sich hier gar nichts abgespielt? Mein Gesichtsausdruck schien mehr zu verraten als gedacht, denn das Oberhaupt beobachtete mich nur einen kurzen Moment ehe er zu grinsen anfing.
„Was ist, Nicholas? Verwundert über das, was du siehst?“ Er sprach mir aus der Seele.
„Um ehrlich zu sein, Sir.“ Nichts wirkte verändert. Alles sah so aus, wie wir es verlassen hatten.
„Was hast du gedacht? Dass Seefeld und die Residenz in Schutt und Asche liegen?“ Ein wenig.
„Nachdem ich gehört hatte, dass ein Teil von Elisabeths Handlangern hier war, schwirrten mir so einige Bilder im Kopf herum. Also, ein paar Scherben wären doch zu erwarten gewesen, oder?“
„Wir waren vorbereitet und so dumm die Abtrünnigen auch waren, sie waren immerhin so klug mit dem Angriff zu warten, bis sie auf unserem Grundstück ankamen. Dieses Haus ist als Festung dienlicher als man es vermuten möchte und immerhin ist es die Unterkunft der Ältesten. So einfach sind wir nicht zu bezwingen.“
„Und die Menschen?“
„Nun, wir Vampire existieren seit Jahrhunderten unter den Sterblichen, ohne dass sie es bemerken. Die Welt hat sich zwar verändert, aber trotz der ganzen Innovation und des technischen Fortschritts sind die Menschen bloß noch unsensibler für ihre Umwelt geworden. Sie sind nicht mehr so misstrauisch wie damals. Heutzutage muss man es schon mehr darauf anlegen, um aufzufallen. Meistens jedenfalls.“
„Dann habe ich Euch und das alles hier womöglich unterschätzt, verzeiht, Sir.“ Es war ernst gemeint, doch Aribo tat es mit einer schnellen Handbewegung ab. „Elisabeth und ihr Gefolge sahen es ähnlich und sie haben sich letztendlich wohl auch ein wenig überschätzt. Und gerade deswegen haben wir gewonnen, auch wenn der Preis sehr hoch war.“ Der fade Beigeschmack seiner treffenden Worte konnte sich kaum entfalten, als er sich plötzlich Liz zuwandte. „Ihr solltet nicht mehr allzu lang mit der Verwandlung warten, der Krebs ist sehr stark geworden. Ich kann ihn tief in dir spüren. Er ist auch garantiert dafür verantwortlich, dass sich deine Wahrnehmungen und dein Empfinden so verändern. Sonst wäre dir bei den jetzigen Temperaturen kalt, da bin ich ziemlich sicher.“
„Wie könnt Ihr das wissen?“
„Wenn du irgendwann in mein Alter kommst, Nicholas, dann sind solche Empfindungen eine Leichtigkeit. Ich habe viel gesehen, gefühlt und auch dazu gelernt, aber den menschlichen Körper zu verstehen, das war immer einfach für mich. Dieser Tumor breitet sich unnachgiebig aus und jeden Schmerz, jede noch so winzige Regung, die er in ihrem
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