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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Deutsch, mit dem leichten französischen Akzent, den auch Dany hatte. »Wir sind, was wir tun. Und wenn Sie tun, was wir wollen, wird der Albtraum, in dem sie seit einiger Zeit leben, bald vorüber sein.«
    Â»Wir?«, fragte Ella kurzatmig, hastig. »Wer ist wir?«
    Â»Wir vertreten eine Gruppe von Leuten, die ein Problem zu lösen haben«, antwortete der Mann, »vereinfacht gesprochen. Und bitte glauben Sie mir, unsere Ziele sind weit besser als die Mittel, die wir notgedrungen manchmal anwenden müssen.«
    Ella fragte: »Was habe ich mit Ihren Zielen zu tun? Warum bin ich hier?« Sie hatte sich schnell ein provisorisches Bild von dem Mann gemacht, den sie nicht sehen konnte, eine Vorstellung – anhand seiner perfekten Beherrschung einer für ihn fremden Sprache, der Lederschuhe und seiner Stimme. Sie stellte sich vor, dass er elegant war, gepflegt, um die vierzig; er trug einen teuren Anzug, und er war gebräunt, nicht von der Sonnenbank, sondern vom Tennisplatz, vielleicht vom Wasserskifahren. Dunkles Haar, möglicherweise mit einer Spur frühem Grau, auf keinen Fall blond. Ein paar Falten auf der Stirn, aufmerksame Augen, sehr wach; manikürte Hände. Aber das Bild, das so entstand, beruhigte sie nicht, denn jemand, der so aussah und sich so verhielt, konnte eigentlich nur zu Rochefort, Gladstone & Wentworth gehören.
    Â»Dieses Problem, das Sie lösen müssen«, sagte sie, »hat nicht zufälligerweise etwas mit dem Verschwinden von Raymond Lazare zu tun?«
    Â»Sie sind scharfsinnig«, sagte der Mann. »Das gefällt mir –
schön und scharfsinnig.« Ein Feuerzeug schnappte auf und zu. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Â»Es stört mich, dass Sie mich entführt haben«, antwortete sie wütend. »Es stört mich, dass Sie Menschen umbringen. Ganz besonders meinen Freund Max nehme ich Ihnen übel. Es stört mich, dass Sie mir mein Leben gestohlen haben. Und wo wir schon mal dabei sind: Es stört mich, dass Sie mit mir reden, während ich eine Plastiktüte über dem Kopf trage und hier irgendwo noch ein Topf mit meinem Urin herumsteht – «
    Sie spürte, wie sich die Tüte mit ihrem Atem füllte und wie die Innenseite beschlug, sie spürte die feuchte Wärme, und wenn sie die Augen schloss, flimmerte das Licht unter den Lidern.
    Der Rauch englischer Zigaretten schwebte in der Luft. Der Mann schien abzuwarten, ob sie noch weiterreden wollte, und als sie schwieg, sagte er: »Die Tüte tragen Sie zu Ihrem Schutz. Es ist besser, wenn Sie mich nicht sehen. Um auf Ihre Ausgangsfrage zurückzukommen: Sie sind hier, weil Sie uns keine andere Wahl gelassen haben. Wenn Sie aufgegeben hätten, wären Sie nicht hier. Wenn Sie sich einfach nur versteckt hätten, statt herausfinden zu wollen, was um Sie herum vorgeht, wären Sie nicht hier. Aber Sie mussten ja immer weitermachen, egal, wer alles um Sie herum getötet wurde. Sie mussten uns ja immer näher kommen, und deswegen haben wir den letzten Schritt für Sie getan und die Sache etwas abgekürzt: Jetzt sind Sie da, wo wir auch sind, weil Sie sich auf dem Weg hierher von jemandem, den wir ganz und gar nicht gebrauchen konnten, in jemanden verwandelt haben, den wir doch brauchen können.«
    Â»Sie oder Ihre Mandanten?«, fragte Ella nach. »Oder ist das in diesem Fall dasselbe?«
    Â»Das Ziel unserer Mandanten ist auch unser Ziel, solange wir für sie tätig sind«, erklärte der Mann. »So wie das Ziel eines Patienten zu Ihrem Ziel wird, wenn er zu Ihnen kommt. Anwälte
und Ärzte, wir müssen beide nehmen, was wir kriegen, nicht wahr?«
    Das Gefühl, das Ella beim Blick in die Augen der farbigen Frau gehabt hatte, war nun stärker als alles andere, sogar als sie selbst: Was immer geschehen konnte, war bereits geschehen, und sie hatten sie nicht getötet. Bisher nicht und solange sie sie brauchen konnten nicht, und wenn es ihr gelang, die Antwort zu finden, vielleicht nie. Bis es so weit war, musste sie so tun, als hätte sie sich damit abgefunden, ihr Instrument zu sein.
    Â»Wozu?«, fragte sie, und merkte, dass ihre Neugier jetzt größer war als ihre Angst, sogar größer als die Wut. »Wozu brauchen Sie mich?«
    Â»Sie sollen das für uns tun, was Sie am besten können«, sagte der Anwalt. »Wie ich schon sagte, wir sind, was wir tun, und Sie tun Gutes. Sie retten

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