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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Bräunliche, etwas spröde Lippen über einem festen Kinn. Blondes Haar, nur ein paar sonnengebleichte Strähnen.
    In der dritten Etage verließ er den Lift, und Ella stieg ebenfalls aus. Leer und gut beleuchtet erstreckte der Gang sich vor ihnen. Als die Türen sich wieder geschlossen hatten, drehte der Franzose sich zu ihr um und trat dicht an sie heran. Ehe er etwas sagen oder tun konnte, zog Ella das Messer aus der Jackentasche und drückte ihm die Spitze einen Zentimeter oberhalb des Nabels in den Bauch, gerade tief genug, dass sie spüren konnte, wie seine Muskeln sich spannten. »Nicht bewegen«, sagte sie. »Sprechen Sie Deutsch?«
    Â»Ja.«
    Â»Wir gehen jetzt zu Ihrem Zimmer. Wohnen Sie allein?«
    Â»Ja.«
    Â»Sie gehen voraus.« Sie ging dicht hinter ihm und ließ ihn ständig die Spitze des Messers spüren, das sie tief in den Ärmel gezogen hielt. Eine Überwachungskamera konnte nicht erfassen, was passierte.
    Â»Wer sind Sie?«, fragte er mit einem schwachen Akzent. »Was wollen Sie von mir?«
    Sie antwortete nicht.
    Â»Waren Sie das vorhin in der Wohnung?«
    Sie sagte noch immer nichts, verstärkte nur kurz den Druck des Messers. »Das ist doch lächerlich«, sagte er.
    Â»Warum lachen Sie dann nicht?«, fragte Ella, und dabei dachte
sie, du verhältst dich wie Annika. Jedenfalls stellte sie es sich so vor.
    Sie behielt die Türen zu beiden Seiten des Korridors im Auge, niemand betrat den Gang. Vor dem Zimmer mit der Nummer 37 blieben sie stehen.
    Â»Ich hole jetzt meine Chipkarte heraus«, sagte der Franzose. Er griff in die Tasche, schob das Plastikkärtchen ins Schloss.
    Ella sagte: »Sie gehen voran. Kein Licht!« Sie hielt das Messer weiterhin gegen seinen Rücken gepresst. Im Eintreten spähte sie an ihm vorbei in den Raum, der nur durch vom Gendarmenmarkt einfallenden Lichtschein erhellt wurde. Sie schloss die Tür und schob den Franzosen aus dem Eingangsbereich weiter ins Zimmer. »Und jetzt?«, fragte er.
    Â»Setzen Sie sich dahin«, sagte Ella und deutete mit der freien Hand auf die Bettkante. Er gehorchte mit einem Schulterzucken. Sie ging zum Fenster und sah hinaus auf den Platz. Das Licht von den Scheinwerfern am Dom und dem Konzerthaus unter dem Fenster reichte bis zum Bett. »Und jetzt sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie hier machen«, erklärte sie.
    Â»Mein Name ist Schneider – Daniel Schneider«, antwortete der Mann, und die Endung des Nachnamens klang wie das ä in Ähre. »Ich suche meine Schwester. Und wer sind Sie? Sind Sie die Freundin von Mado?«
    Â»Wer ist Mado?«
    Â»Meine Schwester, Madeleine. Mado .«
    Â»Sie waren in der Wohnung, weil Sie Ihre Schwester suchen?« Ella wandte dem Fenster den Rücken zu, um den Franzosen besser im Auge behalten zu können.
    Er legte die Hände nebeneinander auf seine Oberschenkel, als wollte er, dass sie sie sehen konnte. Er hatte schlanke, aber kräftige Finger, die zweifellos zupacken konnten. Die Hände eines Mannes, der sich zu wehren wusste, wenn es darauf ankam. »Kennen Sie Mado?«

    Â»Ich kannte sie«, sagte Ella vorsichtig und immer noch nicht bereit, das Messer wegzulegen.
    Er beugte sich vor. »Eben in der Wohnung – haben Sie gedacht, ich wäre ein Einbrecher?«
    Sie antwortete nicht.
    Â»Warum sind Sie mir gefolgt?«
    Â»Weil ich wissen wollte, wer Sie sind.«
    Â»Und wer sind Sie ?«
    Â»Ella Bach. Ich bin Ärztin.«
    Â»War Mado Ihre Patientin?«
    Â»Ja.«
    Â»Was ist mit ihr? Wo ist sie?«
    Â»Das möchte ich auch wissen. Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    Â»Vor einem Monat.«
    Â»Hier in Berlin?«
    Â»In Paris.«
    Â»Und wann hatten Sie beide das letzte Mal Kontakt?«
    Â»Vor drei Tagen. Sie hat mich angerufen und gebeten zu kommen.« Er schwieg einen Moment. »Es ging nicht schneller. «
    Â»Haben Sie ein Foto von ihr?«, fragte Ella. »Das Sie mir zeigen können?«
    Â»Haben Sie immer ein Foto von Ihrer Schwester bei sich?«
    Â»Ich habe keine Schwester.« Ella holte das Foto aus ihrer Sakkotasche und legte es neben ihn auf die Bettdecke. »Ist sie das?«
    Er betrachtete das Foto. Dann fragte er: »Kann ich das Licht anmachen?« Sie nickte. Er beugte sich zu einer Konsole mit mehreren Knöpfen neben dem Kopfende des Betts. Die Nachttischlampe ging an. Der Raum schien auf einmal kleiner

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