Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
Vom Netzwerk:
zu werden, die Nacht vor dem Fenster wurde dunkler. Er betrachtete das Foto und nickte. »Das rechts ist Mado. Die andere kenne
ich nicht. Aber wenn Sie ihre Ärztin sind, müssten Sie doch wissen, wie sie aussieht.«
    Â»Ich wollte sichergehen, dass Sie wissen, wie sie aussieht«, sagte Ella.
    Er sah weiter auf das Bild, als könnte es die Antworten geben, die Ella ihm nicht gab. »Was hatte Mado? Weswegen war sie bei Ihnen in Behandlung? Was für eine Ärztin sind Sie?«
    Ella zögerte. Sie fragte sich, ob er die Wahrheit ertrug. Dann fragte sie sich, ob er selbst die Wahrheit gesagt hatte; ob er wirklich nicht wusste, was vorgefallen war.
    Als spürte er ihre Zweifel, lächelte er plötzlich. »So schlimm kann es doch nicht sein«, sagte er.
    Â»Ihre Schwester ist schwer verletzt worden«, sagte Ella. »Ich bin Notärztin, und als ich sie gefunden habe, hing ihr Leben an einem Faden. Ich habe sie reanimiert und in eine Klinik gebracht. Von dort ist sie verschwunden. Das war vor zwei Nächten. Seither suche ich sie.«
    Â»Mado?« Das Lächeln blieb noch einen Moment auf seinen Lippen, bevor es aufhörte, ein Lächeln zu sein. »Wie ist sie verletzt worden? Wobei?«
    Â»Jemand hat sie überfallen. In der Wohnung ihrer Freundin. «
    Er sagte nichts. Jetzt lächelten auch seine Augen nicht mehr. Einige Sekunden lang schien er die Gedanken hinter seiner Stirn zu ordnen, dann fragte er: »Aber wenn es ihr so schlecht ging, wie konnte sie dann einfach aus der Klinik verschwinden?«
    Â»Sie ist wahrscheinlich entführt worden.« Seine Überraschung ist echt, seine Angst auch. »Von demselben Mann, der sie in der Wohnung überfallen hat. Er muss dem Notarztwagen gefolgt sein.«
    Mados Bruder starrte sie an, ohne etwas zu sagen. Dann fragte er: »Haben Sie die Polizei informiert? Wird nach Mado gesucht?«

    Ella zögerte wieder. »Der Mann oder die Männer, die sie überfallen und entführt haben«, sie legte das Messer auf den Couchtisch bei der kleinen Sitzgruppe, denn plötzlich wurde ihr klar, wie es aussah, wenn sie es weiter in der Hand behielt, »dieselben Männer haben auch meinen besten Freund getötet. Sein Name war Max. Er hat mir assistiert, als wir Ihre Schwester gefunden haben. Das Problem ist, die Polizei glaubt nicht an die Existenz dieses Mannes. Nur ich habe ihn gesehen. Er war noch in der Wohnung, als Max und ich dort eingetroffen sind. Und deswegen sind sie jetzt auch hinter mir her.«
    Sie wunderte sich, wie unglaubwürdig das klang, wenn sie es so sagte, eine fantastische Geschichte aus dem Mund einer Frau, die ihn eben selbst noch mit einem Messer bedroht hatte.
    Â»Und Sie wissen nicht, wer sie sind – diese Männer?«, wollte er wissen.
    Â»Um das herauszufinden, war ich ja vorhin noch einmal in der Wohnung«, erklärte sie. »Ich dachte, vielleicht entdecke ich einen Hinweis darauf, was sie gesucht haben oder warum sie Ihre Schwester so – « Sie unterbrach sich, suchte wenigstens jetzt nach den richtigen Worten. »Sie sah – sie war schrecklich zugerichtet.«
    Â»Und als ich in der Wohnung auftauchte, dachten Sie, ich gehöre dazu? Ich wäre einer von denen?« Er stand auf und sah aus dem Fenster. In Ella erwachte wieder das Misstrauen. Wie konnte er so ruhig bleiben? Mit dem Rücken zu ihr fragte er: »Was glaubt die Polizei?«
    Als sie nicht antwortete, präzisierte er: »Wenn sie nicht an die Existenz der Männer glaubt, woran glaubt sie dann? Meine Schwester ist verschwunden – gut, sie hat nicht hier gelebt. Aber wer soll Ihren Kollegen getötet haben?«
    Â»Ich«, sagte Ella leise. »Sie denken, dass ich es war. Sie denken, ich hätte erst Ihre Schwester getötet und dann Max, weil sie seine Geliebte gewesen sei – die Geliebte meines Freundes.«

    Jetzt drehte er sich um und sah sie an. »Ich glaube Ihnen«, sagte er. »Ich glaube an die Männer.«
    Â»Warum?«
    Â»Weil Mado mich angerufen hat«, antwortete er, »und weil sie Angst hatte – Todesangst –, und das war nicht die Angst vor einer Nebenbuhlerin. Es war etwas anderes, etwas, das mit ihrer Arbeit zu tun hatte. Sie wollte es mir nicht sagen – nicht am Telefon, nicht per E-mail –, aber ich habe gemerkt, dass es für sie ungeheuer wichtig war – und gefährlich. Gleichzeitig wirkte sie fast euphorisch, wie ein

Weitere Kostenlose Bücher