Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
offen durch das Treppenhaus transportieren zu müssen, wickelte sie ihn in den Flurläufer ein, trug ihn in den Keller und versteckte ihn dort hinter einem Holzstapel. Dann verließ sie unverzüglich das Haus und begab sich zum Treff mit ihrer Bekannten, ohne die in Flur und Treppenhaus reichlich vorhandenen Blutspuren zu beachten. Mit der Bekannten verbrachte sie den ganzen Nachmittag, ohne sich in irgendeiner Weise auffällig zu benehmen. Als nach ihrer Festnahme weiter zur Person ermittelt wurde, stellte sich heraus, dass ihre Geisteskrankheit schon seit mehreren Jahren bestand und auch bekannt war. Sie war bereits früher mehrfach und für längere Zeit in einer psychiatrischen Einrichtung eingewiesen gewesen und behandelt worden. Da sich ihr Zustand aber immer wieder gebessert hatte -eine Schizophrenie tritt in Schüben auf -, war sie wieder nach Hause entlassen worden. Ein erneuter Schub erreichte offenbar zur Tatzeit einen Höhepunkt und steigerte sich ins Unerträgliche. Er bewirkte, dass sie sich von der später Getöteten ununterbrochen verfolgt fühlte: im Hause, auf der Straße, ja bis in ihre Gedankenwelt hinein. Obwohl die Kranke seit einem Jahr in dem Haus lebte, kannten die Nachbarn deren Vorgeschichte nicht. Sie vermochten deshalb auch deren auffälliges Verhalten nicht angemessen zu beurteilen. Da die Täterin aufgrund ihrer Geisteskrankheit nicht huldfähig war, wurde sie in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen. Mord ohne Leiche Anfang der fünfziger Jahre waren die Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland äußerst kompliziert und verworren. Die beiden deutschen Staaten, die als Folge des verlorenen Krieges entstanden waren, existierten erst wenige Jahre. Einen geregelten Grenzverkehr zwischen ihnen gab es nicht; insbesondere war der Wechsel des Wohnsitzes von einem Land in das andere mit großen Schwierigkeiten verbunden. Wie groß diese waren, hing allerdings davon ab, in welche Himmelsrichtung man wollte. Während sich der Weg von West nach Ost meist als unkompliziert erwies, war das umgekehrt - aus politischen Gründen, aber vielfach auch wegen der besseren Lebensbedingungen im Zielgebiet viel häufiger beabsichtigt - keineswegs der Fall. Wie allgemein bekannt, genehmigten die ostdeutschen Behörden entsprechende Anträge in den meisten Fällen nicht. Das führte zu den zahlreichen illegalen Grenzübertritten, die in der DDR unter Strafe standen. Jeder, der von Ostdeutschland nach Westdeutschland wechseln wollte, musste demzufolge die Vorbereitungen und den Grenzübertritt in aller Heimlichkeit betreiben. So wurde das Verlassen der DDR in den meisten Fällen erst dann bemerkt, wenn es bereits vollzogen war und die Betreffenden sich aus dem Westen meldeten. War jemand plötzlich verschwunden und kam nicht mehr zur Arbeit oder nach Hause, so musste man eben auch an eine so genannte Republikflucht denken. Ein solcher Fall schien vorzuliegen, als an einem Tag im Frühjahr 1951 ein Mann bei der Polizei seine Frau, seine Schwiegermutter und seine neunjährige Tochter als vermisst meldete. Sie waren nach seinen Angaben seit über einer Woche nicht nach Hause gekommen. Irgendwelche Angaben über ihren Verbleib konnte er nicht machen, vermutete aber, dass sie sich nach dem Westen abgesetzt hätten, da seine Frau immer wieder einmal davon gesprochen habe und ihn ebenfalls zur Flucht bewegen wollte. Seine Frau habe argumentiert, dass sie als Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten sowieso neu anfangen müssten, was in Westdeutschland aufgrund der wesentlich besseren Lebensverhältnisse leichter möglich sei. Er selbst sei aber darauf nicht eingegangen, da er sich in der DDR sehr wohl fühle, als Platzwart eine gute Arbeit habe und auch wohnungsmäßig gut untergekommen sei. Er wohne in einem kleinen Häuschen direkt am Sportplatz, den er zu betreuen habe. Eine Vermisstenmeldung wurde aufgenommen und dann gewartet, ob sich die Frau melden würde. Das geschah jedoch nicht. Statt dessen tauchten in der Bevölkerung der Kleinstadt Gerüchte auf, die besagten, dass das Verschwinden der drei Personen nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Zwischen den Eheleuten habe es schon seit längerer Zeit Streit gegeben, wobei der Mann seine Frau auch des öfteren geschlagen habe. Einige Nachbarn hatten in den Tagen nach dem Verschwinden der drei Personen angeblich beobachtet, dass nachts dicker, schwarzer Rauch aus dem Schornstein des Hauses am Sportplatz aufstieg. Diese Gerüchte und die Tatsache,
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