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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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ganzen Tag über hatte schon Schnee in der Luft gelegen. Als er seinen Wagen vom Hof lenkte, hatte sich Tyras auf die nasse Kiesfläche gelegt und den Kopf auf die Pfoten gesenkt. Für einen kurzen Moment sah Kluftinger noch einmal seine dunklen, unergründlichen Augen. Möglicherweise würde dieser Hund nun die Krähen in seinen nächtlichen Träumen ablösen, dachte er mit einem Schaudern.
    ***
    Eine ganze Weile war im Wagen nichts zu hören als das monotone Quietschen der Scheibenwischer, die Kluftinger wegen des leichten Schneefalls eingeschaltet hatte. Wie hypnotisiert starrte der Kommissar dabei auf das linke Wischerblatt, das offenbar ausgetauscht werden musste: Statt in einem durchgehenden Schwung ruckelte es unregelmäßig über die ganze Scheibe.
    Der Schnee, dachte er, irgendwie ist alles friedlicher, wenn es schneit. Friedlich … ruhig … warum kommt es einem nur ruhiger vor, wenn Schnee fällt? Oder nur Einbildung? Der Hund hat auch keine Geräusche gemacht … komischer Hund. Unheimlich. Komische Frau. Werden Hunde den Haltern ähnlich? Oder Halter den Hunden? Warum sieht die Urban meiner alten Lehrerin ähnlich? Komische Frau, aber war ja auch eine komische Sache.
    »Unser Herrgott hat schon einen großen Tiergarten«, sagte Hefele und Kluftinger fühlte sich, als würde ihn die Bemerkung seines Kollegen von einem weit entfernten Ort ins Auto zurückholen. Manchmal versank er richtig in seinen Gedanken, hing ihnen so intensiv nach, dass er alles um sich herum ausblendete. Meist waren das schöne, stille Momente, die er genoss, auch wenn ihm dabei regelmäßig seine Gesichtszüge entglitten und ihn seine Mitmenschen, vor allem seine Frau oder sein Sohn, immer wieder mal darauf aufmerksam machten, dass er mit halb geöffnetem Mund und hervorquellender Zunge einen reichlich debilen Eindruck mache.
    Kluftinger verstand sofort, was Hefele mit seiner Bemerkung sagen wollte: »Ja, es gibt einfach komische Leut. Die ganzen Steine, die da rumlagen. Und die vielen Kreuze. Ich mein, ich bin ja auch ein gläubiger Mensch, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben.«
    »Aber weißt du, was wirklich ein bisschen unheimlich war?«
    »Du meinst den Hund?«
    »Nein. Also: Ja, der war natürlich auch unheimlich. Aber ich mein was anderes. Ist dir in der Wohnung nichts aufgefallen?«
    »Hm … also die Steine und das, das hab ich ja schon gesagt … «
    »Nein, ich mein was anderes: Spiegel.«
    »Wie – Spiegel?«
    »Na, es hingen keine Spiegel im Haus. Ich hab im Rausgehen noch einen Blick ins Klo geworfen, das stand offen. Da war auch keiner. Im Bad hängt man einen Spiegel auf, das macht doch jeder. Dann hab ich im Hausgang gesucht: nix. Nirgends. Komisch, oder?«
    »Na, die wird sich gedacht haben: Da kommt der Hefele, da häng ich erst mal die Spiegel ab, nicht dass er noch einen rechten Schreck kriegt, wenn er an einem vorbeiläuft.«
    Kluftinger hatte sich so auf die Pointe seines Witzes gefreut, dass der letzte Satzteil nahtlos in ein glucksendes Lachen überging.
    »Sehr witzig«, spielte Hefele erst den Beleidigten, stimmte dann aber in Kluftingers Gelächter mit ein. »Vielleicht hat sie auch nicht gewollt, dass wir merken, dass sie ein Vampir ist. Weißt schon, weil die doch kein Spiegelbild haben.«
    Ihr herzhaftes Lachen wurde vom Klingeln eines Telefons unterbrochen. Hefele langte in seine Tasche, schaute auf das Display seines Handys und lachte los: »Deins klingelt.«
    Kluftinger genoss diesen Augenblick: Zwischen ihm und Hefele schien es viel besser zu laufen als noch vor einigen Tagen. In ihm hatte er sogar jemand gefunden, der seine Art von Humor teilte – etwas, das er mehr als alles andere an einem Menschen schätzte.
    Die letzten Lacher waren noch nicht ganz verklungen, als er sich meldete: »Ja … Kl … Kluftinger?«
    »Ich bin’s, der Richard. Ich wollte fragen … «
    Als er die ausgelassene Stimmung der beiden bemerkte, machte er eine kurze Pause und fuhr dann etwas pikiert fort: »Na, ihr scheint es ja ganz schön lustig zu haben, während wir hier schuften.«
    »Richie, ganz ruhig, ein bissle Humor kann nie schaden. Was gibt’s denn?«
    »Ich wollte nur fragen, wann ihr wiederkommt. Es gibt einige Dinge zu besprechen. Und wir gehen jetzt essen.«
    »Das ist eine gute Idee. Sag doch den Kollegen Bescheid, dann treffen wir uns in der Kantine.«
    »Allen?«
    »Wieso allen?«
    »Na, allen von der neuen Soko Erntedank?«
    Kluftinger dachte kurz nach. »Nein, nur

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