Erntedank
Getränkeautomaten. Und außerdem schmeckte ein Selbstgemosteter einfach unvergleichlich.
Nach der morgendlichen Besprechung mit den Abteilungsleitern, an die sich eine morgendliche Besprechung mit den Mitarbeitern der Sonderkommission anschloss, wurde er zu einer außerordentlichen morgendlichen Besprechung in die Wache gebeten. Hier liefen sämtliche Notrufe ein, hier war die Funkzentrale und alle Einsätze wurden von der Wache aus kontrolliert. Die Kollegen nannten sie gern das »Herz« der Direktion. Hier war immer etwas los. In diesem Raum, der voller Telefone, Bildschirme, Computertastaturen und Funkmikrofone steckte, erwartete ihn bereits ein uniformierter Kollege mit hochrotem Kopf.
Es war Gerhard Rantich, der bei den Kollegen als äußerst cholerisch verschrien war. Irgendjemand war einmal darauf gekommen, dass man, wenn man den abgekürzten Vornamen vor seinen Nachnamen stellte »G. Rantich« lesen konnte, was sich wie »grantig« anhörte – und perfekt die vorherrschende Gemütsverfassung des Kollegen beschrieb. Kluftinger versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, denn im Gegensatz zu praktisch allen seinen Vorgesetzten verspürte er vor diesem etwa sechzigjährigen, großgewachsenen und breitschultrigen Kollegen einen Heidenrespekt.
Der Kommissar wollte gerade zu einem Gruß ansetzen, da polterte Rantich schon los: »Ja sag mal, spinnt’s denn ihr? Ja glaubt’s ihr, dass wir da herunten nicht schon genug Arbeit haben? Ja ihr … ihr … « Sein Herumgebrülle hatte Rantich atemlos gemacht, so dass er erst einmal tief Luft holen musste, um den Satz zu vollenden: »Ihr Rindviecher!«
»So, Gerdl, jetzt bleib mal in der Ruh!«
Kluftinger, der sich nicht gerne beleidigen ließ, setzte heute Morgen ganz auf Deeskalation.
»Worum geht’s denn überhaupt?«
»Worum’s geht? Schau dir das mal an.« Rantich zeigte auf einen Stapel Papiere und Notizzettel, der neben dem Telefon lag und Kluftinger an den Anblick auf seinem Schreibtisch erinnerte.
Rantich ging auf den Stapel zu, packte ihn mit einer fahrigen Bewegung und reckte die Papiere drohend in die Luft: »Alles wegen euch. Weißt du eigentlich, was wir hier alles zu tun haben? Und jetzt dürfen wir uns wegen euch auch noch irgendwelche Märchengeschichten anhören. Lauter Sagen, so ein Schmarrn! Also … also da hört’s sich doch wirklich auf.«
Kluftingers Strategie schien aufzugehen: Rantich hatte etwas an Fahrt verloren. Er zeigte sich dem Kollegen gegenüber fürsorglich: »Ach so, ja, also wirklich: Das wollten wir natürlich zu allerletzt, euch noch mehr Arbeit machen. Aber eigentlich kannst du dich dafür beim Maier bedanken.«
Bei der Erwähnung des Namens »Maier« bekam das Gesicht von Kluftingers Gegenüber noch einmal für ein paar Sekunden eine tiefrote Farbe, dann schien die Luft raus zu sein. Statt einer weiteren Schimpftirade gab Rantich nur ein flaches »Ach so, der Maier« von sich und setzte sich.
Kluftinger, der es nicht eilig hatte, den Stapel auf seinem Schreibtisch zu bearbeiten, nahm neben ihm Platz.
»Was erzählen die Leut denn?«
»Ach, ganz unterschiedlich. Manche, die wollen einfach nur irgendwelche Sagen erzählen. Manche wollen unheimliche Begegnungen auf dem Dachboden an den Mann bringen; die würgen wir natürlich gleich ab. Die meisten notiere ich aber mit. Man weiß ja nie. Komische Kauze sind da dabei. Pass mal auf.«
Rantich raschelte mit den Blättern und legte die Stirn in Falten, während er sie durchsah.
»Da haben wir zum Beispiel einen, der hat seit Jahren einen Pudel, und jetzt meint er auf einmal, der hätte immer schon so komische rote Augen gehabt.«
Kluftinger grinste mitleidig. Er bedauerte die Kollegen, war gleichzeitig aber auch froh, dass die Anrufe von ihnen abgefangen wurden, bevor sie ihn erreichten. Quasi als Entschädigung beschloss er, wenigstens so lange sitzen zu bleiben, bis der Kollege sich seinen Frust von der Seele geredet hatte.
»Au ja, der war auch gut: Ein Bauer aus Stein. Weißt schon, bei Betzigau, wo der Dengelstein ist. Der will in der Nacht, in der diese Ärztin da ermordet worden ist, immer so ein komisches metallisches Klappern gehört haben, als hätte tatsächlich der Tod seine Sense gedengelt. Was geht bloß in den Köpfen von diesen Leuten vor?«
Nach drei weiteren Schilderungen war Rantich wieder zahm wie ein Lamm und verabschiedete Kluftinger sogar mit Handschlag und den Worten »Nix für ungut, gell«.
Zurück in seinem Büro erwartete den Kommissar
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