Erntedank
weiter bringt. In einer halben Stunde treffen wir uns hier wieder. Alles klar?«
***
Dreißig Minuten später fanden sich die Kollegen mit enttäuschten Gesichtern wieder im Büro ihres Chefs ein. Die Beamten beim Verhör hatten auch mit dieser Information nichts aus Heinz Brentano herausbekommen; ebenso wenig war in seiner Wohnung passende Literatur aufgetaucht. Der Kollege, der bei der Durchsuchung vor Ort gewesen war, hatte sogar gesagt: »So was ist mir noch nie unter gekommen. Der hat, vom Telefonbuch einmal abgesehen, nicht ein einziges Buch daheim stehen.«
»Schade eigentlich«, fand Maier. »Aber ist das denn so wichtig?«
Eine berechtigte Frage, dachte der Kommissar, er hatte sie sich ebenfalls gestellt und bereits bejaht.
»Solange Brentano schweigt«, sagte er, »müssen wir uns unsere Informationen eben selbst zusammensuchen. Und wenn der Mörder einen Zahlencode hinterlassen hat, den wir jetzt entschlüsseln können, dann sollten wir das auch tun. Wer weiß, wohin uns das noch führt.«
Maier nickte und auch die Umstehenden signalisierten Zustimmung.
»Also gut. Richard und Roland, ihr schaut mal, ob ihr jemand von der Stadtbücherei erreicht. Oder den Stadtarchivar. Eugen, wir fahren noch mal nach Kaisersmad, vielleicht hat die Urban da was auf Lager. Wer zuerst was findet, ruft die anderen an. Bis später, meine Herren.«
***
»Jetzt hab dich doch nicht so, der tut nix.« Ungeduldig sah Kluftinger auf seine Armbanduhr. Dann blätterte er geschäftig in einem kleinen Block, als ob er etwas suchen würde. »Wenn du vielleicht heute noch klingeln würdest? Oder möchtest du den Sonntag lieber im Auto verbringen?«
Als sie vor dem Haus von Frau Urban angekommen waren, hatte wie beim letzten Mal Tyras, der Dobermann, gleich neben der Türe gelegen und auch Strobl, der ihn zum ersten Mal sah, gehörigen Respekt eingejagt. Kluftinger hatte, schon bevor sie in den Hof eingebogen waren, seinem Kollegen aufgetragen, »gleich mal zu klingeln«, schließlich wolle man ja keine Zeit verlieren, heute am Feiertag. Strobl hatte erst genickt, war sich beim Anblick des riesigen Vierbeiners aber plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob er den Schutz des Wagens preisgeben wollte.
»Herrschaft, ich müsst’s doch wissen. Der tut wirklich nix«, drängte Kluftinger seinen Kollegen und sah ihm dann mit Spannung, in die sich ein bisschen Schadenfreude mischte, zu, wie er sich, den Hund immer im Blick, langsam auf die Haustür zu bewegte.
Kluftinger war beinahe enttäuscht, denn es passierte gar nichts. Es wäre bestimmt amüsant gewesen, zu sehen, was Strobl wohl getan hätte, hätte der Hund sich bewegt oder wäre gar auf ihn zugelaufen. Aber der machte keinen Mucks. Strobl zog an der Klingel und winkte dem Kommissar, doch endlich auch auszusteigen.
Just in dem Moment, in dem der Kommissar die Türe ins Schloss fallen ließ, stellten sich die Ohren des Dobermanns auf und er hob seinen Kopf. Als er auf die Haustür zuging, sprang das Tier plötzlich auf und stürzte mit gefährlich klingendem Gebell auf Kluftinger zu. Der blieb sofort wie angewurzelt stehen und wurde kreidebleich. Bis in die Zehenspitzen spürte er den Adrenalinstoß, der durch seinen Körper jagte. Doch etwa zwei Meter vor ihm machte der Hund plötzlich Halt, setzte sich hin und starrte den Kommissar wieder nur an. Schweißperlen bedeckten Kluftingers Stirn, seine Augen waren weit aufgerissen.
»Keine Angst, der tut nix«, rief ihm Strobl von der Haustür aus zu und konnte dabei nunmehr seine Schadenfreude nicht verbergen.
Dann hörten sie, wie im Innern die Dielen knarzten und jemand einen Schlüssel in der Türe drehte. Kluftinger wischte sich den Schweiß von der Stirn, stellte sich neben Strobl und versuchte zu lächeln. Als die Tür sich geöffnet hatte, erstarb dieses Lächeln gleich wieder: Vor ihnen stand Richter Günter Hartmann. Der Hartmann, der vorgestern erst bei ihnen gewesen war und sie auf Brentanos Spur gebracht hatte.
»Aber … wie?« Kluftinger war sprachlos. Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich.
»Guten Tag, meine Herren. Na, selbst am heiligen Sonntag im Dienst? Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«, begann der Richter, der im Gegensatz zu den Polizeibeamten über den Besuch nur wenig überrascht schien.
Kluftinger war noch immer sprachlos, deswegen ergriff Strobl das Wort.
»Was machen Sie denn hier?«
»Ich? Na: wohnen!«
Jetzt hatte auch Kluftinger seine Sprache wieder gefunden.
»Also, grüß Gott
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