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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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wichtig, die Ruhe zu bewahren. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer von Hefeles Handy.
    »Kluftinger. Du, habt ihr das Buch bekommen? … Ja? … Und die Nummern stimmen überein? … Bestens, wo seid ihr jetzt? … Fünf Minuten, ok, aber beeilt euch bitte!«
    Kluftinger legte den Hörer auf und wandte sich an Möbius: »Herr … Herr Dr. Möbius, ich brauche jetzt Ihre Mithilfe, hören Sie? Es ist wichtig, dass Sie stark sind … für Ihren Bruder.«
    Kluftinger tat sich mit derart emotional aufgeladenen Situationen immer schwer, aber er fand, dass er es diesmal ganz gut hingekriegt hatte.
    Möbius hob zum ersten Mal, seit der Kommissar das Zimmer betreten hatte, den Kopf.
    »In fünf Minuten werden wir wissen, auf welche Sage die Zahlen auf dem Brief an Ihren Bruder verweisen. Die Kollegen haben es gerade bekommen. Das bringt uns bestimmt weiter.«
    »Ausgerechnet Horst … «, stammelte der Staatsanwalt, dessen Augen rot und geschwollen waren. Er hatte offensichtlich geweint.
    Horst war offenbar der Name des Vermissten. Für ihn ging es nun ums blanke Überleben, das war Kluftinger klar. Wenn er nicht längst vom »Sensenmann« geholt worden war. Dem Kommissar wurde für einen Moment ganz schwummrig, als er sich das schlimmste aller möglichen Szenarien ausmalte.
    »Herr Dr. Möbius, gibt es etwas in der Vergangenheit Ihres Bruders, das … das ein solches Verbrechen … verstehen Sie mich richtig … in der verqueren Sicht des Mörders … rechtfertigen könnte?«
    Möbius schüttelte den Kopf.
    »Wir wissen noch nicht, auf welche Sage der Brief hinweist, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es wieder darum geht, Rache zu üben oder einer vermeintlichen Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Versuchen Sie sich zu erinnern, Herr Möbius – auch eine Kleinigkeit kann wichtig sein.«
    »Ich wüsste wirklich nichts.«
    »Es muss aber etwas geben. Vielleicht sollten wir Ihre Schwägerin … «
    »Bloß nicht … dazu ist sie im Moment nicht in der Lage«, wandte Möbius ein, der nun etwas an Fassung zurückgewonnen hatte.
    »Zwoa Kollegn san scho drauss bei iahra, wenn se da Mörda … da Entfüahra doch no moidn daat«, flüsterte Lodenbacher dem Kommissar ins Ohr.
    In diesem Moment wurde die Türe schwungvoll aufgestoßen und Maier und Hefele stürmten herein.
    »Was gibt’s denn? Wir haben uns extra beeilt! Der Stadtarchivar war so nett und ist ge … «, sagte Maier und brach abrupt ab, als er sich der seltsamen Besetzung im Büro bewusst wurde. Hefele warf einen eifersüchtigen Blick auf Sandy und den Staatsanwalt, hielt sich aber mit einer Bemerkung zurück, als er dessen Verfassung sah.
    Kluftinger ließ sich sofort die Bücher geben. Es waren kleine, dünne Heftchen, gut und gerne achtzig Jahre alt, schätzte Kluftinger. Die Umschläge zierte ein Holzschnitt, der zwei Kinder und eine Fee beim Beerenpflücken zeigte. Unter der Oberfläche aber, auf der sich diese idyllische Szene abspielte, lauerten drohend Hunde und Drachen. Ein Bild, das sehr gut zu diesem Fall passte, fand Kluftinger.
    Er nahm den Brief, den Möbius’ Bruder bekommen hatte, und las flüsternd vor: »II/5:9.(57)«. Er suchte sich das zweite der acht Hefte heraus, schlug das fünfte Kapitel auf und fand auf Seite 57 die neunte Sage, die den Titel »Der Tuffstein zu Oberthingau« trug. Er stutzte kurz, weil die Sage in Frakturschrift geschrieben war, und begann dann in gedämpftem Ton zu lesen. Atemlos lauschten die Umstehenden seinen Worten:
    » Im Jahr des Herrn 1654 geschah es, daß einmal des Nachts bei dem Bauern Johann Freh in Oberthingan ein fremder alter Pilgersmann Einkehr hielt und diesen aufforderte, im Vorzeichen der Pfarrkirche einen Ölberg zu errichten. Zu diesem Ende soll er zum Müller in der nahen Eschenau gehen und von demselben den Tuffstein, der am Hange oberhalb der Mühle sei, zu kaufen begehren. Der Bauer tat dem so; allein der Müller zeigte sich nicht willfährig und wies ihn, so oft jener auch während der nächsten drei Jahre sein Begehren wiederholten mochte, stets barsch ab, ja verhöhnte und verlachte ihn sogar wegen seines frommen Vorhabens. Er hülfe nicht und wolle den Stein zu seinem eigenen Zwecke, daß er ihm Ehr verschaffe. Da erklärte der stets vergeblich Bittende endlich dem Müller, wenn er auf seinem Eigentume weiterhin beharre, seine Hilfe versage und nur seinen eigenen ehrgeizigen Willen sehe, und so das Unternehmen hindere, so werde er nach der Aussage

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