Erntedank
Schulter und drückte leicht zu, wodurch ein Muskelstrang am Hals unnatürlich weit hervortrat. Obwohl der Griff schmerzte, ließ sich der Kommissar nichts anmerken. »Mei, Klufti, das ist vielleicht nichts mehr für deine Generation. Aber die Jungen fahren drauf ab, glaub mir!«
»Was soll denn ›Lumbersports‹ überhaupt sein?«
»Das kommt immer auf dem Sportkanal. Eine Meisterschaft im Holzmachen.«
»Ach, der Krampf. Hör mir auf!« Kluftinger war ab und zu beim Umschalten auf diese bizarre Sportart gestoßen, bei der Leute mit Horroräxten Holzstämme durchhauten oder mit monströsen, aufgemotzten Motorsägen Kleinholz machten. Seine Lust auf einen Einkaufsbummel war nahezu erloschen. Er schaute demonstrativ auf seine Armbanduhr und sagte: »Schon so spät? Du, ich muss jetzt gehen, Edi. Wir hatten einen üblen Rohrbruch daheim, da kann ich die Erika nicht immer allein lassen mit dem Dreck.«
»Au weh. Kaputte Leitungen, oder?«
»Keine Ahnung. Der Siggi hat’s mittlerweile zum Glück wieder gerichtet.«
»Wart mal, Klufti, da hab ich was für dich. Das wird Rohrbrüche in Zukunft verhindern.«
»Was denn?«, fragte der Kommissar ungeduldig und ärgerlich, weil Schauer so penetrant auf seinem ungeliebten Spitznamen beharrte.
»Eine ›Waterella‹«, verkündete Schauer in feierlichem Ton. Als er von Kluftinger nur einen fragenden Blick erntete, fuhr er fort: »Hört sich komisch an, ist aber wirklich super. Warte, ich hol dir einen Prospekt.« Wenig später kam er mit einem Heft und einem chromglänzenden Stück Rohr zurück.
»Also, pass auf. Die ›Waterella‹ verhindert, dass sich deine Rohrleitungen mit Kalk zusetzen. Außerdem werden Ablagerungen allmählich abgebaut, das bildet eine vor Korrosion schützende Schicht in den Rohren. Genau das brauchst du, gerade bei unserem harten Wasser.«
»Und wie soll das gehen?«, fragte Kluftinger skeptisch nach.
»Mit Magnetfeld.«
Kluftinger sah misstrauisch zu ihm auf.
Schauer hielt Kluftinger unbeirrt das Rohrstück unter die Nase. »In diesem kleinen Rohr sind derart starke Magnete, dass sie die Oberflächenzusammensetzung des Wassers so verändern, dass sich nichts mehr ablagert. Ohne Chemie und völlig natürlich.«
Schauers Telefon in seiner Kitteltasche klingelte.
»Schau’s dir mal an im Prospekt.«
Kluftinger blätterte unmotiviert in dem kleinen Heftchen. Da stand tatsächlich etwas von »Rohrreinigung« und vom »Kalkdoktor« und ein Gutachten bestätigte die Wirksamkeit des Produkts. Zudem sei das behandelte Wasser besser zur Zubereitung von Tee, Kaffee und Babynahrung geeignet. Immerhin: Wenn ein Gutachten es bestätigt hatte …
Nach Beendigung seines Telefonats brachte Schauer noch ein Argument, das Kluftingers Zweifel schließlich zerstreute: Anhand einer Beispielrechnung verdeutlichte er, wie viel es kosten würde, müsste man im ganzen Haus neue Rohrleitungen einziehen. Am Ende schien es Kluftinger vernünftiger, die siebzig Euro für die »Waterella« zu zahlen.
***
Auf dem Weg nach Hause verflog das Gefühl, einen guten Einkauf gemacht zu haben, mit jedem Kilometer, den er sich von der LVA entfernte. Einen Drei-Kilo-Sack Nudeln, einen Kanister »Skiwassersirup« mit fünf Litern Inhalt und die »Waterella« – vielleicht hatte er doch etwas zu leichtsinnig zugeschlagen.
Andererseits: Viel könnte er sich damit sparen, das hatte Schauer ihm ja vorgerechnet. Er beschloss, mit diesem positiven Gefühl in sein dringend nötiges Wochenende zu starten.
Und die Nudeln waren ja wirklich billig gewesen.
***
Kluftinger hatte seine Wohnungstür noch nicht hinter sich zugezogen, da wurde seine Vorfreude schon wieder getrübt: Er hörte aus dem Wohnzimmer mehrere Stimmen, die offensichtlich nicht vom geräuschvoll laufenden Fernseher kamen und die nur eines bedeuten konnten: Besuch. Er konnte noch nicht ausmachen, wer sich da in ihrer Wohnung breit gemacht hatte, aber spontan fiel ihm auch niemand ein, den er jetzt gerne gesehen hätte. Nach den Turbulenzen der letzten Tage wollte er einfach nur seine Ruhe.
Als er ins Wohnzimmer trat, sank sein Stimmungsbarometer noch etwas weiter: Neben seiner Frau saß Annegret Langhammer.
Eigentlich hatte er ja gar nichts gegen Annegret. Sie war sogar immer ausnehmend freundlich zu ihm – ganz im Gegensatz zu ihrem Gatten. Und genau das war der Haken. Er konnte ihr einfach nicht vergessen, dass sie mit dem Doktor verheiratet war. Irgendwie färbte Kluftingers Abneigung gegenüber
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