Erntedank
Grund seines Kommens und setzte seinen Weg fort.
In einem kleinen Nebenraum wurden Garten- und Feldgeräte verkauft und dort vermutete er auch die Sensen, auch wenn er sich mangels Verwendungsmöglichkeit bisher noch nicht dafür interessiert hatte.
Ein groß gewachsener, kräftiger Mann, der einen roten Kittel trug, beugte sich gerade über eine Schachtel mit Arbeitshandschuhen, die er in ein kleines Regal sortierte. Kluftinger fiel die Tonsur auf, die er trug, und er wunderte sich, dass das Gesicht, das er zu sehen bekam, nicht einem älteren Herren, sondern einem etwa dreißigjährigen Mann gehörte. Er grüßte schüchtern und kaum hörbar, grinste Kluftinger verschämt mit einer lückenhaften Zahnreihe an und wollte sich wieder seiner Arbeit widmen.
»Grüß Gott, entschuldigen Sie, ich bräucht eine Sense. Wo sind denn die?«, hielt ihn der Kommissar aber zurück.
Als der Mitarbeiter der LVA geschäftig anfing zu sprechen, kam dem Polizisten der Gedanke, dass er da möglicherweise nicht den Zuständigen vor sich habe: Er wirkte unbeholfen, was unter anderem an seiner näselnden Stimme und der schlecht operierten Hasenscharte lag, wegen der er »S« immer wie »F« aussprach. Beim Wort »Fenfe« hätte der Kommissar beinahe lachen müssen und er schämte sich deswegen. Immerhin konnte der Mann ja nichts dafür und tat nur seine Arbeit.
Endlich waren sie bei den Mähwerkzeugen angelangt. »Da!«, sagte der LVA-Mitarbeiter nur und winkte umständlich mit der Hand in Richtung der Regale mit den Sensen. Dank einer speziellen Halterung standen sie senkrecht darin und Kluftinger fröstelte bei ihrem Anblick. Da er wusste, dass eine solche Sense als Mordwerkzeug missbraucht worden war, wirkten sie irgendwie unheimlich.
Er besah sich das Angebot, das vier Arten von Sensen umfasste, und entdeckte schließlich die mit dem gesuchten Aufkleber. »Sind das irgendwelche speziellen Sensen oder kann man die für alles einsetzen?«
»Def fin Roifenfa«, sagte der Mann.
Kluftinger verstand kein Wort.
»Was?«
Kluftinger konzentrierte sich darauf, den S-Fehler auszublenden.
»Roi-Fenfa. Da mäht ma einen Rain, einen Wiafenrand. Die ham a kürtfere Klinge, dann haktf it fo. I hob di au, di fin guat. I mäh da bei der Mama drmit immer da Boind.«
Kluftinger, der gebürtige Allgäuer, atmete tief durch. Sogar ihm bereitete es Schwierigkeiten, alles mitzubekommen. Immerhin konnte er das letzte Wort nach kurzem Nachdenken identifizieren: Der »Boind«, das war der Garten ums Bauernhaus, zur Straße hin. Er war gerade dabei, sein Urteil über den skurrilen Verkäufer zu revidieren, schließlich schien der sich mit Gartengeräten gut auszukennen, als ein weiterer Mitarbeiter der LVA näher kam und sich in das Gespräch einmischte.
»Jakob, du könntest draußen die Seife einräumen, geh, die Kartons stehen vor dem Regal!« Dabei schob er den Jüngeren hinaus, drehte sich wieder zu Kluftinger, deutete mit einer Wisch-Bewegung vor seinem Gesicht an, was er von seinem jüngeren Kollegen hielt, und schob noch ein »Entschuldigen Sie« nach.
Zunächst wollte sich der Kommissar über das herablassende Verhalten des älteren Verkäufers aufregen. Denn wenn er etwas hasste, war es Überheblichkeit und unfaires Verhalten gegenüber Schwächeren. Der Betroffene schien nicht gerade behindert zu sein, vom Leben gestreift, wie er das gerne ausdrückte, war er aber. Er riss sich jedoch fürs erste zusammen und antwortete dem Mann, auf dessen Jacke der Name Übelhör stand: »Keine Angst, er hat seine Sache sehr gut gemacht. Wie auch immer, ich brauche eine Sense.«
»Also, was Sie da in der Hand haben, das ist schon ein gutes Modell.«
Jetzt wollte der Kommissar die Probe aufs Exempel machen und fragte den vielleicht fünfzigjährigen, hageren Verkäufer: »Wofür verwendet man denn die speziell?«
»Ja, zum Mähen halt«, lachte dieser spöttisch und wusste offenbar nicht recht, was der Kunde eigentlich von ihm wollte.
»Ah so«, brummte Kluftinger und freute sich ein bisschen darüber, dass er von Rainsensen und kürzerem Sensenblatt offenbar noch nichts gehört hatte.
»Und die Firma Erntedank, die machen nur Sensen?«
»Ja, die sind auf Sensen spezialisiert. Das sind die gängigsten, auch wenn sie etwas teurer sind, das ist 1a-Qualität. Absolut. Wir haben zwar auch andere, aber die gehen am besten weg.«
»Und die haben nicht nur Sie, die gibt es überall?«
Etwas verwundert erwiderte Übelhör, dass dieses Modell sicher
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