Erntedank
Martin Langhammer auf dessen Ehefrau ab. Schließlich hatte er von dieser Antipathie ja auch mehr als genug zu vergeben.
Nachdem er Frau Langhammer dennoch höflich begrüßt und seiner Frau einen Schmatz auf die Wange gegeben hatte, was diese mit einem überraschten, aber zufriedenen Lächeln quittierte, geriet sein Vorsatz, sich von seiner besten Seite zu zeigen, schon ins Wanken. Ein Blick auf den Fernseher zeigte ihm, dass die beiden Frauen den Kanal eingeschaltet hatten, der ihm noch überflüssiger vorkam als Spieleabende bei Langhammers: Es lief der Shoppingsender.
Gut, manchmal, das musste er zugeben, wusste auch er dessen Vorzüge zu schätzen, denn er hatte die Angewohnheit, immer noch kurz den Fernseher anzuschalten, bevor er ins Bett ging, auch wenn er aus irgendeinem Grund erst kurz vor Mitternacht nach Hause kam. Und dann blieb er oft beim Verkaufsfernsehen hängen: Auf den anderen Kanälen liefen zu später Stunde meist nur zweitklassige Filme, und für Erotikclips aus den Achtzigern hatte er schon gar nichts übrig. Schnell hatte er auch von den sich dauernd wiederholenden Meldungen der Nachrichtenkanäle genug. Blieben die Shoppingsender. Zunächst schaute er dort immer eine Weile aufmerksam zu, regte sich ein wenig über das auf, was sie dort verkauften, und echauffierte sich noch mehr darüber, wie sie es verkauften. Doch schnell entschlummerte er dann sanft, eingeschläfert vom monotonen, fast meditativen Singsang der Stimmen. Besonders bei Kosmetika, Schmuck oder Puppen: die Moderatoren dort hatten die sanftesten Stimmen – auch wenn er sich eher die Hand abhacken würde, als eines ihrer Produkte zu kaufen. Sollte ihn seine Frau schlummernd vor dem Fernseher bei einer solchen Sendung erwischen, sagte er immer, dass zu dem Zeitpunkt, als er eingeschlafen war, gerade »Heimwerken« oder »Auto und Motorrad« gelaufen war. Und auch wenn er bei diesen Produkten tatsächlich schon in Versuchung gekommen war, war er bisher immer standhaft geblieben.
Bei Erika, zumal, wenn sie unter Annegrets Einfluss stand, war er sich da nicht ganz so sicher.
Er hob gerade zu einer abschätzigen Bemerkung über die Programmwahl an, da wurde ihm bereits nach der ersten Silbe mit einem Zischen seiner Frau das Wort abgeschnitten: »Wir wollen das sehen!«, sagte sie streng und mit einem Blick, in dem gleichzeitig die Warnung und die Bitte lag, sich mit abfälligen Äußerungen zurückzuhalten.
Der Kommissar verschluckte also seine Bemerkung und wandte sich ebenfalls dem Programm zu. Eine dunkelhaarige, mollige Frau von etwa einem Meter fünfundfünfzig, offenbar die Moderatorin, befragte ihren Studiogast, einen Mann in schwarzem Anzug und mintgrünem Hemd zu den Vorzügen des Produkts, das vor ihnen auf einem kleinen Tischchen stand. Der Mann, der von der Frau »Francesco« genannt wurde, der mit seiner hellen Haut und den offensichtlich gepuderten Wangen aber mit einem Italiener etwa so viel gemein hatte wie ein Lada mit einem Ferrari, stimmte gerade ein euphorisches Loblied über den »sensationell superduper-günstigen Preis« des Artikels an: Als »Hit des Tages« war er von 38,64 Euro auf 32,21 Euro reduziert – »das macht eine Ersparnis von sechskommadreiundvierzig Euro«, rief Francesco verzückt aus und er schrie die Moderatorin dabei so heftig an, wie Kluftinger es sich bei seiner Frau selbst im heftigsten Streit nicht getraut hätte. Dazu brabbelte die Frau ständig von »Wahnsinn« und »Sensation«, was Francesco mit Kopfnicken begleitete. Er verstärkte ihre Verzückung außerdem mit der Feststellung, dass das alles die Natur geschaffen habe und dass der Mensch so etwas gar nicht künstlich herstellen könne. Kluftinger räusperte sich und rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her. Es bereitete ihm beinahe körperliches Unbehagen, die Lästereien, die ihm nach dieser kurzen Zeit schon auf der Zunge lagen, für sich zu behalten.
Als die Moderatorin, die Francesco mit »liebe Heidi« anredete, die für Kluftinger aber eher wie eine gestandene »Heidrun« wirkte, dann aber endlich erklärte, um was es bei dem Verkaufsgespräch eigentlich ging, konnte sich Kluftinger nicht mehr zurückhalten.
»Aha«, tastete er sich vorsichtig vor. Als eine Reaktion der Frauen ausblieb, hängte er noch ein »Eine Salzkristalllampe also« an.
Keine Reaktion. Als der Kommissar im Fernseher die Worte hörte »Wenn Sie die einfach nur so in Ihrem Raum stehen haben, werden Sie schon nach wenigen Stunden
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