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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Betzigau, bei Stein, ihr wisst schon, da gibt es doch diesen großen Findling, den Dengelstein. Wisst ihr, warum der so heißt? Tja, also nachts hört man da angeblich manchmal ein seltsames Klingen, als würde jemand eine Sense schärfen. Und das liegt daran, dass, wenn der Tod ein großes Loch in die streitsüchtige Menschheit mähen will, er den Teufel dort hinbestellt und ihm befiehlt: ›Dengle scharf!‹ Und dann kommt immer schlimmes Unheil übers Land und viele Leute müssen sterben.«
    Für ein paar Sekunden blieb es still im Besprechungsraum.
    »Da kann man ja Angst kriegen«, meldete sich schließlich Hefele zu Wort.
    »Also, das ist ein oft gebrauchtes Motiv in Sagen«, antwortete ihm Kluftinger und sah dabei reihum die Kollegen an. »Meist wird eine transzendente Macht dazu benutzt, ein Gerechtigkeitsmotiv zu … also zu kreieren.«
    Wieder wurde es still. Die Kollegen schienen über das, was ihr Chef da gesagt hatte, nachzudenken. Schließlich begann Strobl zu nicken. »Klingt plausibel«, sagte er und nickte weiter, bis schließlich alle einander zunickten. Kluftinger war zufrieden.
    »Ich hab übrigens gestern noch versucht, den Stadtarchäologen zu erreichen, aber der war nicht aufzutreiben«, warf Hefele ein.
    »Gut, da kümmere ich mich persönlich drum«, antwortete Kluftinger, nickte noch einmal in die Runde und verließ den Raum.
    ***
    Der Kommissar hatte keine Vorstellung davon, wie ein Stadtarchäologe seine Tage verbrachte. Wenn er an Archäologen dachte, dann an Schliemann und andere, die irgendwo im Wüstensand Ruinen längst untergegangener Kulturen entdeckt hatten. Er wusste zwar, dass es in Kempten auch Ausgrabungen gegeben hatte, die Überreste der römisch-keltischen Vergangenheit dieser uralten Stadt zum Vorschein gebracht hatten, aber die waren seines Wissens längst ausgebuddelt. Sein professionelles traf sich hier also mit einem privaten Interesse, als er einen Dienstwagen der Kriminalpolizei, den er laut Vorschrift eigentlich für jede Fahrt benutzen sollte, in ein kleines Seitensträßchen auf einem Hügel über der Stadt lenkte.
    Heute war er zielstrebig zum Polizeiwagen gegangen, weil sich seine Tankanzeige am Morgen kaum noch von der Anschlagnadel wegbewegt hatte. Zwar hatte die Polizei eine eigene kleine Tankstelle, aber an der durfte er sich nicht einfach bedienen. Für jede Dienstfahrt mit seinem PKW musste er zunächst selbst bezahlen und sich das Geld dann per Antrag auf Fahrtkostenerstattung wieder holen. So kam es auch, dass Kluftinger ein kleines Büchlein im Auto hatte, in das er Datum und Zielort jeder Dienstfahrt eintrug. Einmal im Monat bekam Sandy dieses Büchlein auf den Schreibtisch und hatte dann die mindestens drei Stunden füllende Aufgabe, Entfernungen nachzusehen und Kluftingers kaum lesbares Geschreibsel zu entziffern, um es schließlich in die offiziellen Anträge zu übertragen.
    Die Momente, in denen er die fertigen Formulare unterschrieb, waren diejenigen, in denen er am glücklichsten darüber war, eine Sekretärin zu haben. Er fuhr eben einfach am liebsten mit seinem eigenen alten Passat – damit konnte er am besten umgehen und er hatte bereits das Alter, in dem es auf eine Schramme mehr oder weniger nicht ankam. Und seitdem er damals den neuen Polizei-VW-Bus beim Einparken an einer Wand ziemlich zerkratzt hatte, vermied er den Griff zum Dienstwagen und den damit verbundenen spöttischen Kommentar des Fuhrparkleiters, der immer derselbe war: »Aber schön aufpassen beim Einparken.«
    Im Dienstwagen war ihm heute gleich etwas aufgefallen: Er roch beinahe wie ein neues Auto, obwohl der dunkelblaue Golf Kombi bereits gut hundertachtzigtausend Kilometer und immerhin drei Jahre auf dem Buckel hatte. Kluftinger führte das auf den Kontrast zu dem allmählich dominierenden Gestank in seinem Auto zurück.
    »APC« stand auf dem Hinweisschild der kleinen Straße in weißen Buchstaben auf braunem Grund – »Archäologischer Park Cambodunum«. Cambodunum war der römische Name der Siedlung gewesen, aus der sich später die Stadt Kempten entwickelt hatte. Vom Büro des Stadtarchäologen hatte er die Information, dass sich der Leiter der Abteilung dort aufhielt. Wo sollte sich ein Archäologe auch sonst aufhalten, fragte sich der Kommissar.
    Nachdem er seinen Wagen zugesperrt hatte und auf den Eingang, ein Tor in einem flachen, antik anmutenden, langgezogenen Bauwerk, zuging, hielt er kurz inne: Links lag ihm zu Füßen die Stadt, und da heute ein klarer

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