Erntemord
ihm schlafen. Warte, das klingt nicht ganz richtig.“
„Als ob du Adam jemals betrügen würdest.“
„Ich bin verheiratet, nicht tot“, sagte Eve empört. „Zumindest darf ich gucken.“ Doch sie blickte zurück in den Laden und runzelte die Stirn.
Rowenna hatte den Eindruck, dass es mehr als nur ein Streit über ihre Ware gewesen sein musste, der zum Zerwürfnis zwischen Adam und Eve geführt hatte.
„Oh Gott!“, sagte Eve plötzlich und wurde bleich.
„Was?“
„Ich sagte gerade, ich bin nicht tot. Und diese arme Frau … Oh Gott, Ro – sie ist bei uns im Laden gewesen. Sie war nur hier, um sich zu amüsieren, und jetzt … jetzt ist sie tot.“
„Dan hat mir erzählt, er habe sie auch gesehen.“
„Sie war nett, so wie Mary … Sie kam herein und kaufte etwas Schmuck.“ Eve hielt mit unglücklichem Gesicht inne und schüttelte dann den Kopf. „Sie erzählte, dass sie in Boston lebt und seit Ewigkeiten nicht mehr hier oben war. Sie ist wegen der Herbstfärbung hergekommen … und hier gestorben.“
Eve wirkte kummervoll, als ob sie gleich weinen würde.
Rowenna umarmte sie. Es gab nichts zu sagen.
Eve machte sich los. „Hey, beeil dich. Triff dich mit deinem Kerl.“
„Bist du in Ordnung?“
„Aber sicher“, antwortete Eve.
„Okay, dann geh rein und schließ ab“, sagte Rowenna.
Eve sah noch immer beunruhigt aus.
„Eve, ist noch etwas nicht in Ordnung?“, fragte Rowenna besorgt. Sie wollte nicht zu spät in der Bar aufkreuzen und Jeremy in Panik versetzen, aber sie wollte ihre Freundin, die so verloren wirkte, auch nicht so stehen lassen.
„Nein.“
„Eve?“
Eve lachte. „Nein. Wirklich.“ Sie schaute zur Seite, als ob sie ihre Gefühle verbergen wollte. „Jedenfalls nichts, was du wieder richten könntest. Also triff dich mit Jeremy und lass dich unterwegs nicht von Fremden ansprechen.“
„Ja, Mama. Wir sehen uns morgen, okay?“
Eve atmete tief durch, nickte dann und zog sich in den Laden zurück. Rowenna winkte und ging weiter die Straße entlang.
Die anderen Geschäfte waren geschlossen. Es schien unmöglich, doch innerhalb von Minuten hatten sich die Straßen geleert.
Die kühle Herbstbrise blies plötzlich kräftiger. Blätter wirbelten vom Pflaster auf und wehten vor ihre Füße. Sie ging schneller.
Ein merkwürdiges Brummen drang an ihre Ohren, und sie blickte auf. Eine Straßenlaterne flackerte, brummte erneut, leuchtete einen kurzen Moment hell auf und erlosch.
Ein völlig natürlicher Vorgang, sagte sie sich.
Es gab noch immer jede Menge Licht.
Doch wo Licht war, gab es auch Schatten.
Während sie rasch vorwärts eilte, sah sie auf das Pflaster zu ihren Füßen und wäre beim Anblick eines Schattens vor ihr fast zur Seite gesprungen.
Aber natürlich war er da! Es war ihr eigener Schatten.
Sie lauschte ihren Schritten und fragte sich, ob sie ein leichtes Echo vernahm oder ob ihr jemand folgte und versuchte, seinen Schritt dem ihren anzupassen.
Der Wind frischte erneut auf, und die Blätter tanzten in einem kleinen Zyklon vor ihr herum, bevor sie ihr mit einem trockenen Rascheln, das sich wie anklagendes Geflüster anhörte, vor die Füße fielen.
Der Schatten wuchs, als ob sie größer und breiter würde. Als ob sich ein Berg hinter ihr auftürmte, massiv und dunkel.
Nein, es war kein Berg, es hatte einen Umriss.
Wie ein Mann, ein Mann in einem Cape, der den Tiefen der Erde entstieg.
Ihre Einbildung nahm überhand, und obwohl sie wusste, wie lächerlich das war, lief sie noch schneller.
Das Echo ihrer Schritte schien ein wenig zu spät zu kommen.
Wie ein Puls, ein Herzschlag, der aus dem Rhythmus geraten war.
Furcht ergriff sie plötzlich. Irgendwie war das Etwas, das den Schatten warf, nicht länger hinter ihr, sondern vor ihr.
Sie wandte sich um und rannte. Rannte in die nächste Seitenstraße hinein, obwohl sie wusste, dass sie vom Geschäftsviertel fort und zu der weniger bevölkerten Seite der Innenstadt getrieben wurde.
Ihr Verfolger machte sich nicht länger die Mühe, sich zu verbergen. Sie wurde verfolgt.
Jedes Geschäft, jedes Restaurant, an dem sie vorbeilief, war geschlossen und dunkel.
Die Schritte, die ihr nun folgten, waren laut und schnell und nur zu real. Sie wusste, dass sie zu einem Menschen gehören mussten, doch es fühlte sich so an, als würde sie von etwas Übermenschlichem verfolgt, etwas, das von dem Bösen flüsterte.
Wo waren nur alle?
Es war Herbstsaison, um Himmels willen.
Ein als
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