Eroberer 2 - Die Rückkehr
anbrandenden Wellenfronten mit den weißen Schaumkronen wohl den nächsten spektakulären Platscher verursachen würde. Und versuchte nicht daran zu denken, was in seiner Abwesenheit vielleicht gerade im Familiensaal der Kinn geschah.
»Lässt du dich von der Weite des Meeres zu einem Gedicht inspirieren?«, ertönte eine vertraute Stimme.
Thrr-gilag drehte sich um. Klnn-dawan-as Bruder Klnn-torun erschien in der vollen Tracht der Kinn-Familie und legte auf dem Kieselstrand vorsichtig die letzten paar Schritte zu ihm zurück. »Wie kommst du denn darauf, dass ich ein Gedicht verfassen würde?«, rief Thrr-gilag über das Tosen der Brandung.
»Ich glaubte eben, dass du der Typ für so etwas wärst«, sagte Klnn-torun. »Vor allem deshalb, weil du so versonnen aufs Meer hinausschaust.«
»Typische Hochnäsigkeit der Kinn«, sagte Thrr-gilag. »Wie kommst du überhaupt auf die Idee, die Hügel und Ströme des Territoriums der Thrr-Familie müssten einen Vergleich mit diesem mickrigen Meer scheuen?«
Klnn-torun runzelte leicht die Stirn. »Würden sie denn einem Vergleich standhalten?«
Thrr-gilag lächelte und ließ die Zunge in einer Geste der Verneinung hervorschnellen. »Keine Chance.«
»Aha.« Klnn-toruns Gesicht hellte sich wieder auf. »Dachte ich mir schon. Trotzdem hattest du mich zunächst irritiert.«
Thrr-gilag schaute wieder auf den Felsen im Meer - gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie eine kleinere Welle sich am Rand brach. »Und was ist mit dir?«, fragte er. »Hast du schon einmal eine Ode an das Meer komponiert?«
»Eigentlich nicht«, sagte Klnn-torun. »Ich hatte es ein paar Mal versucht, als ich jünger war. Aber die Muse der Poesie wollte mich partout nicht küssen. Ich glaube, dass mein Bewusstsein einfach anders strukturiert ist.«
Thrr-gilag zuckte die Achseln. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin auch nicht der geborene Poet.«
»Ach, komm schon.« Klnn-torun runzelte die Stirn. »Was ist denn mit diesen drei Gedichten, die du für Klnn-dawan-a geschrieben hast, gleich, nachdem ihr beide euch kennengelernt habt?«
Thrr-gilag beäugte ihn misstrauisch. »Sie hat sie dir doch nicht etwa gezeigt, oder?«
»O nein, sie hat mir nur ein paar Highlights vorgelesen«, versicherte Klnn-torun ihn. »Und ich fand sie wirklich sehr gut. Stilistisch gelungen und schön poetisch.«
»Ätsch, reingefallen«, sagte Thrr-gilag und schnaubte freundlich. »In Wirklichkeit habe ich Blut und Wasser geschwitzt, um mir etwas aus den Fingern zu saugen. Zum Glück erlangte ich ihre Aufmerksamkeit, bevor ich noch einen ganzen Gedichtband schreiben musste. Zumal ich noch immer den leisen Verdacht habe, dass sie nur aus Mitleid mit mir ausgegangen ist.«
»Kaum«, sagte Klnn-torun mit einem schwachen Lächeln. »Nein, sie war sehr beeindruckt von deinen Werken.
Und von dir natürlich auch.«
»Nicht halb so beeindruckt wie ich von ihr«, murmelte Thrr-gilag und warf einen Blick über die Schulter. Die Versammlungshalle der Kinn-Familie ragte hinter ihm auf. Die mit Stein verkleideten Wände fügten sich organisch in die Klippe ein, in die die Halle hineingebaut worden war. Klnn-dawan-a stand dort gerade den Familien-und Clan-Oberhäuptern gegenüber. Und versuchte sie für sich zu gewinnen, wie sie schon ihren Bruder und die Eltern auf ihre Seite gebracht hatte.
Und sie war ganz auf sich gestellt. Sie hatten Thrr-gilag keinen Zutritt gewährt und nicht einmal Klnn-torun, ihren Eltern und den engsten Freunden erlaubt, ihr zur Seite zu stehen. Sie konnten nichts tun, außer in der Wartegalerie zu sitzen oder um die Halle herumzuwandern -und sich zu fragen, was in den Kammern geschah, und darauf zu warten, dass die Familienoberhäupter sie wieder hereinriefen. Dieses sinnlose, längst überholte Tribunal ...
»Wie ich gehört habe, ist dein Vater vor einer halben Zyklik in die Älterenschaft erhoben worden«, sagte Klnn-torun. »Es tut mir leid, dass ich nicht an seiner Begrüßungszeremonie teilnehmen konnte. Aber wir hatten eine plötzliche Invasion von shahbba-Käfern und brauchten jeden, um sie zu vertreiben.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Thrr-gilag und verspürte einen neuerlichen Anflug eines alten Schuldgefühls.
»Ich hatte es nämlich auch nicht geschafft. Ich war gerade auf einer archäologischen Expedition, als es geschah, und wegen unserer äußerst beschränkten Transportmöglichkeiten vermochte ich nicht rechtzeitig zurückzukehren.«
»Ja, Klnn-dawan-a hat aus dem gleichen Grund
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