Eroberer des Alls
Schiffes etwas verlagert.
Es war ganz still. McCauley war in seine Arbeit vertieft. Ab und zu klang Furness' müde Stimme auf. Er gab die Geschwindigkeit nach dem Dopplergerät durch. Er gab die Temperatur der Außenhülle, die kosmische Strahlung, die Stärke der ultravioletten Strahlung durch. Er gab keinerlei physische Reaktionen durch, sagte nur einmal, wie als Antwort auf eine Frage:
»Scheint nicht mehr richtig zu funktionieren, wenn es das anzeigt.«
Damit meinte er vielleicht die automatische Anzeige von Pulsfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck.
Nach acht Minuten gab McCauley die Kursrichtung durch, die das Schiff haben sollte, damit die Wirkung eines Einsekundenschubs zusammen mit der Summe aller bisherigen Kurse und Geschwindigkeiten – plus einer Korrektur für das verringerte Gewicht des Treibstoffvorrats – die optimale Umlaufbahn ergeben würde. Furness wiederholte die Durchsage, während McCauley noch zusätzlich Messungen vornahm, um die derzeitige Linie der Schiffsbewegung nachzuprüfen.
»Bodenkontrolle hat Ihre Angaben überprüft«, sagte Furness. »Man gratuliert Ihnen zu der perfekten Astrogation. Es stimmt alles.«
»Fein«, sagte McCauley, der nur mit halbem Ohr zugehört hatte.
Er arbeitete weiter. Das Schiff befand sich 450 Kilometer – plus oder minus 1 Kilometer – über der Erdoberfläche. Für die Umlaufbahn mußten die Fluggeschwindigkeit mit der Linie einer abfallenden Kurve harmonieren, daß das Schiff parallel zur Erdkrümmung flog.
McCauley stellte die Zündung ein und sagte:
»Auf geht's!«
Der R-Antrieb heulte auf. Das Schiff sprang vorwärts. Wieder war den Männern so, als ob sie aus einer beträchtlichen Höhe auf einer harten Matratze aufschlugen. Aber im Vergleich zu einem Schub von einer Minute Dauer ist ein Einsekundenschub ein Kinderspiel.
Das Schiff war jetzt seit ungefähr 30 Minuten unterwegs, davon zehn Minuten Flug durch die Atmosphäre und 20 Minuten freier Fall in der Umlaufbahn, plus zwei Kurs- und Geschwindigkeitskorrekturen. Bisher hatte McCauley keine Zeit gehabt, hinauszusehen. Er wußte nur, daß die Leere unter ihm wie eine riesige gelbgrün oder blau gesprenkelte Fläche mit vielen weißen Flecken aussah. Diese Flecken – die Wolken – verdichteten sich zum Horizont hin, und es sah aus, als sei die Erde von einem weißen Ring umschlossen.
Noch ein Blick auf die Instrumente, dann nahm er sich die Zeit, auf die Erde hinunterzusehen. Bei dieser Geschwindigkeit sollte das Schiff die Erde in ungefähr 90 Minuten einmal ganz umkreist haben. Bezogen auf die Erde, betrug die Geschwindigkeit jetzt rund 27 734 Kilometer pro Stunde. In 20 Minuten freiem Fall hatte das Schiff über 9170 km zurückgelegt und 80 Längengrade überquert. Dort unten war es jetzt rund fünf Stunden später als in Quartermain Base. Hier war bald Sonnenuntergang.
Rechts konnte er nur einen tiefblauen Ozean sehen, der viel dunkler als gewöhnlich wirkte, da McCauley nur die Tiefe sah und nicht die Reflexion des Himmels auf der Wasseroberfläche. Hinter dem Schiff bemerkte er eine Anhäufung der weißen Flecken. Das waren wohl die Wolkenmassen über den Kap-Verde-Inseln. Links schimmerte eine amorphe Masse durch die Wolkendecke. Das mußte Afrika sein. McCauley konnte enorme Entfernungen überblicken. Er wußte, daß er binnen Zehntelsekunden Senegal, Guinea, Liberia und die Elfenbeinküste überflog. Aber er konnte das alles nur ab und zu zwischen den Büscheln des weißen wattigen Dunstes sehen. Vorn tauchte schon wieder der dunkle Ozean auf, und in wenigen Sekunden würde das Festland hinter ihm verschwunden sein. Ein Teil des Kontinents lag noch vor ihm, denn die X-21 raste auf einem Kurs, der der Begrenzung des Golfs von Guinea entsprach. Sie würde die Südspitze Afrikas überfliegen und dann Kurs auf die Antarktis nehmen.
Aber er würde von Afrika nichts mehr sehen. Der Horizont vor ihm wurde dunkel, und die Dunkelheit breitete sich weiter nach links aus. Die Erdkontur färbte sich schwarz – das war der Erdschatten und damit die Nacht. Die Dunkelheit jagte dem Schiff entgegen, das dort oben im Vakuum ungeschützt dem Licht der Sonne ausgesetzt war und feurig aufglitzerte.
»Wir scheinen es geschafft zu haben, Furness«, sagte McCauley zufrieden. »Die nächsten zwanzig Minuten haben wir Ruhe.«
Furness antwortete ihm nicht. Es gab kein Schweregefühl mehr. Nichts hatte ein Eigengewicht. Nichts konnte man als leicht oder schwer bezeichnen. Der Unterschied zwischen
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