Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
königlichen Geschäfte. Er empfing Bischöfe, Earls und Thegns, dazu Gesandte aus Schottland und Wales sowie von Irland und vom Kontinent.
    Sihtric und Godgifu kamen in einem Haus ganz in der Nähe von Westmynster unter, das einem Thegn von Tostig gehört hatte.
    Es war eine unangenehme Zeit für Sihtric, denn sein überfälliger Komet erschien immer noch nicht. Ruhelos und aufgeregt beschloss er, sich mit seinem »Rivalen« als Propheten, dem Mönch Aethelmaer, zu befassen. Gestützt auf die Autorität der Bischöfe bei Hofe, rief er Aethelmaer von seinem Kloster in Wessex herbei.
    Der verkrüppelte Aethelmaer musste in einem Karren quer durchs Land gefahren werden. In Lunden
trugen ihn zwei kräftige junge Mönche in einer Sänfte überallhin.
    Bei seiner Ankunft wurden Sihtric, Godgifu und Orm zu Aethelmaer in die Abtei von Westmynster vorgelassen. Er war ein fetter Mann von ungefähr fünfzig Jahren, der steif auf einer Liege lag, nur von der Taille aufwärts lebendig; seine nutzlosen Beine waren verdorrt. Der Verwesungsgestank in dem Raum wurde nur teilweise von Holzrauch und dem schärferen Geruch von Salben überdeckt.
    Neben Aethelmaer stand ein niedriger Tisch voller Manuskripte und Notizen. »Trotz deiner Behinderung bist du nach wie vor fleißig«, sagte Sihtric. »Gott wäre erfreut.«
    Aethelmaer, offenbar ein bodenständiger Mensch, schnaubte. »Dabei hat Gott mich doch erst in die Sänfte gebracht – Gott, eine Hand voll Federn und die Härte des Erdbodens … Diese Skizzen sind nichts als Gekritzel auf Papier, weißt du. Erst wenn man die Maschinen verwirklicht , mit Holz und Seilen, Leinwand und Tuch, Metall und Federn, sieht man, was funktioniert und was nicht – und wie viel man nicht versteht. Und wenn Gott beschlossen hätte, mir meine Beine zu lassen, könnte ich inzwischen schon viel weiter sein. Hm, hm?«
    »Maschinen?« Das erregte Orms Neugier, und er ging hinüber, um sich die Skizzen anzusehen. Schmutzig vom häufigen Anfassen, waren sie mit komplizierten Schaubildern und spinnenartigen Anmerkungen übersät.

    »Die Nachricht von deinen Prophezeiungen hat den Hof erreicht«, sagte Sihtric. »Es heißt, du hättest das Erscheinen eines Kometen vorhergesagt.«
    »Eines Kometen? O ja.« Aethelmaer streckte unter Schmerzen eine Hand aus und klopfte auf den Papierhaufen. »Steht alles hier drin. Der Komet wird kommen, und England wird fallen – dann aber verändert wiederauferstehen.« Er sank mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. »Aber es geht nicht um den Kometen, weißt du. Sondern um all das hier .«
    »Die da sehen wie Kriegsmaschinen aus«, meinte Orm. »Sind das Belagerungsgeräte?«
    »Oh, mehr als das«, sagte Aethelmaer mit einem Grinsen, das den Blick auf verfaulende Zähne freigab. »Hast du schon mal ein Belagerungsgerät gesehen, das unter der Wasseroberfläche schwimmen kann? Hast du schon mal eine Maschine mit Flügeln gesehen  – eine Maschine, die fliegen könnte? Wir nennen sie ›die Maschinen Gottes‹.«
    Orm starrte schockiert auf die Zeichnungen.
    Ein junger Mönch kam herein, ein Diener aus Maeldubesburg. Er hatte einen mit Wasser gefüllten Zuber und ein Tuch dabei. »Zeit für die Wäsche, Domnus.«
    »Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?«, knurrte Aethelmaer.
    Der Mönch ließ sich nicht beirren. »Du bist immer beschäftigt. Komm jetzt.«
    Aethelmaer fügte sich, als der Mönch seine Kutte lüpfte. Seine Beine waren schneeweiß, und an einem Schienbein hatte er ein Geschwür, eine eiternde, blutige
Wunde, in der freiliegender Knochen schimmerte. Der Gestank von verwesendem Fleisch erfüllte den Raum. Sihtric schluckte, und Godgifu wandte sich ab. Aber Orm, ein Veteran der Schlachtfelder, hatte schon Schlimmeres gesehen.
    »Erzähl mir, woher diese Prophezeiung stammt«, forderte Sihtric ihn auf.
    Aethelmaer schien nichts zu spüren, als der Mönch Eiter auswusch und verfaultes Fleisch wegschnitt. »Du weißt, dass unser Komet schon mehrmals bei uns zu Gast war.«
    »Das ist ohne Belang«, fauchte Sihtric.
    »Dann lass mich dir sagen, dass meine ›Prophezeiung‹, wie du sie nennst, ein Produkt des letzten Erdbesuchs des Kometen ist.«
    Um nicht zurückzustehen, überprüfte Sihtric hastig seine eigenen Zahlen. »Im Jahr des Herrn neunhundertneunundachtzig.«
    »Genau! Als der Komet in diesem Jahr am Himmel leuchtete, wurde am Tor unseres Klosters in Maeldubesburg ein Kind abgelegt: nackt, nicht mehr als ein paar Tage alt …«
    Die Mönche

Weitere Kostenlose Bücher