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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Händen und Füßen an und sprang von einem Turm. Ich schlug auf den Boden … Aber ich bin geflogen «,
sagte er und lächelte, als er sich an den entscheidenden Augenblick seines Lebens erinnerte. »Und das können nicht viele Menschen von sich behaupten, nicht wahr?«
    »Nein, wahrhaftig nicht«, sagte Sihtric. »Und Aethelred? Du hast gesagt, er sei schon vor deiner Geburt gestorben.«
    »Ah. Also, das war eine traurige Geschichte …«
    Als Aethelred vierzehn oder fünfzehn Jahre alt war, schien er sich allmählich zu beruhigen. Er beteiligte sich an der täglichen Routine des Klosters, und der Abt glaubte, Anzeichen dafür zu sehen, dass er das Wort Gottes akzeptierte. Er zeichnete weiterhin seine sonderbaren Entwürfe, war jedoch bereit, seine Aufmerksamkeit auch anderen Dingen zu widmen. So erlernte er zum Beispiel die Buchmalerei. »Er brachte sogar ein paar Seiten zustande, die so gut waren, dass man sie verkaufen konnte, selbst in solch jugendlichem Alter«, sagte Aethelmaer. »Wer weiß, was er hätte erreichen können, wenn er am Leben geblieben wäre?«
    Aber er war nicht am Leben geblieben. Als er älter wurde, erblühte er von einem hübschen Kind zu einem schönen jungen Mann. Manche im Kloster begehrten ihn. Als sie sich an ihn heranmachten, ignorierte er ihre Annäherungsversuche; als sie ihn bedrängten, setzte er sich zur Wehr. Darum drückten sie ihn, entflammt von Lust und Zorn, zu Boden.
    »Ich bezweifle, dass er überhaupt begriff, was geschah. Er muss schreckliche Angst gehabt haben. Und
als sie fertig waren, war er tot, solche Gewalt hatten sie angewandt. Sein hübscher Körper war ebenso zerstört, wie sein Geist es schon immer gewesen war. Und das war es dann, ein schreckliches Ende. Aber ich tröste mich damit, dass er vielleicht die Aufgabe erfüllt hat, die Gott ihm auf der Erde zugedacht hatte – schließlich sind seine Zeichnungen erhalten geblieben –, und dass er bereit war, in den Himmel zurückgerufen zu werden.«
    Aethelmaer ließ sich von seinem Diener das Gesicht waschen, und Orm nutzte die Gelegenheit, die anderen beiseite zu nehmen. »Also, was haltet ihr davon?«
    »Wer weiß?«, sagte Sihtric. »Diese ›Maschinen Gottes‹ haben etwas, so viel steht fest. Und Kryptogramme finde ich einfach unwiderstehlich! Aber abgesehen von der Sache mit dem Kometen wüsste ich nicht, was das mit Harold zu tun haben sollte.«
    »Wirst du diesen alten Mann also gehen lassen?«
    »O ja.« Er grinste wölfisch und berechnend. »Aber ich glaube, ich behalte eine Kopie dieser Zeichnungen von Aethelred. Es wird eine Zukunft nach dieser Krise geben, wie auch immer sie ausgeht, eine Zukunft nach dem Jahr 1066. Vielleicht können uns die Skizzen als Richtschnur dienen …«
    Godgifu war eindeutig angewidert. »Du hörst nie auf mit deinen Manipulationen, nicht wahr? Du hörst nie auf zu intrigieren, zu kalkulieren und deinen Vorteil zu suchen.«
    »Es hat mich dorthin gebracht, wo ich bin«, sagte er ungerührt.

    Orm zupfte Godgifu am Ärmel. »Lass uns von hier verschwinden. Mir wird übel von dem Gestank.«
    »Von seinem Geschwür?«
    »Das auch. Komm.«
    Schnellen Schrittes verließen sie die Abtei und begaben sich zum Haus des Thegns, das Orm zusammen mit Sihtric und Godgifu bewohnte. Es war noch hell. Drinnen schenkte Godgifu ihm und sich selbst Wein ein.
    Orm war nervös; er kam sich vor wie in einem Käfig. Er tigerte umher und hätte am liebsten auf irgendetwas eingeschlagen. »Ich habe die Nase voll von Prophezeiungen. Und von Heuchelei. Dieser fette, grässliche alte Mönch, Aethelmaer! Er ist in diese Zeichnungen des Jungen vernarrt, als wären sie ein Geschenk seines Gottes – und doch haben diejenigen, die sich um den Jungen kümmern sollten, ihn zu Tode vergewaltigt. All dieses verlorene Potenzial, ein verlorenes Leben – und wofür?« Er leerte seinen Becher.
    Und Godgifu stand vor ihm.
    Wortlos nahm sie ihm den Becher ab – und sie berührte seine Brust wie an jenem Tag in der Bretagne, als sie geholfen hatte, ihn aus dem Morast zu ziehen, und auf einmal vergaß er die Mönche und Prophezeiungen. Er fühlte, wie sich sein Puls beschleunigte, das Herz schlug ihm bis in den Hals. Es war, als dehnte sich die Welt aus, die Häuser und Menschen flogen zum Horizont davon und ließen sie beide ganz allein in diesem kleinen Haus in Lunden zurück. Er legte seine Hand auf ihre. »Was ist auf einmal mit uns geschehen?«

    Sie lächelte zu ihm hinauf. »Hast du Angst, wir

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