EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
Leben, weil sie sich einem Mann angeboten hatte, der ihr demütigend schonungslos klargemacht hatte, dass er sie nicht wollte.
Nie wäre Laura in den Sinn gekommen, es könnte schwer sein, die Jungfräulichkeit zu verlieren. Schließlich war sie keine prüde Jungfer aus einem früheren Jahrhundert! Und sie hatte den Eindruck gehabt, Alessio wäre trotz allem sanft mit ihr umgegangen. Doch hatte es so wehgetan, dass sie es nicht verheimlichen konnte.
Der kurze Schmerz war allerdings leicht zu verkraften im Vergleich zu der Zurückweisung. Wenigstens hatte sie Alessio nicht gesagt, was ihr schon auf den Lippen geschwebt hatte: die drei kleinen, aber folgenschweren Worte „Ich liebe dich.“
Morgen würde sie ihn noch ein letztes Mal sehen müssen, obwohl dieser Albtraum zwischen ihnen stand.
Schluchzend zog Laura sich die Decke über den Kopf und ließ den Tränen freien Lauf.
Eine Hand an die Marmorfliesen gestützt, stand Alessio aufgewühlt unter der Dusche und ließ eiskaltes Wasser auf sich prasseln.
Wie hatte er nur so blind sein können, dass er Laura nur fürschüchtern gehalten hatte. Warum war ihm nicht aufgefallen, wie wenig erfahren sie war?
Dass er aus einem Ehrgefühl den ursprünglichen Plan verworfen hatte, milderte Alessios Schuldgefühle nicht im Geringsten. Auch nicht der Gedanke, dass Laura sich ihm aus eigenem Antrieb quasi anbot. Denn er hatte sie so lange manipuliert, bis sie nicht anders konnte!
Sein Vater hatte ihm bereits früher einmal gesagt, er würde genug willige Frauen finden, um seine Triebe zu befriedigen, deshalb solle er unschuldige Mädchen mit Respekt behandeln.
„Außer“, hatte sein Vater humorvoll hinzugefügt, „du hast ehrliche Absichten.“
Bisher hatte Alessio sich an den Rat gehalten, er hätte sich eben nicht träumen lassen, dass Laura noch Jungfrau sein könnte.
Beim Gedanken, dass sie also auch nicht mit Paolo geschlafen hatte, wurde Alessio leichter ums Herz – bis ihm einfiel, dass sie ihm deswegen noch lange nicht gehörte. So brutal, wie er sie zurückgewiesen hatte, würde sie ihm niemals eine neue Chance geben.
Bei der Erkenntnis wurde ihm ganz elend zumute. Zum ersten Mal seit dem Begräbnis seines Vaters spürte Alessio Tränen in den Augen brennen. Er benötigte alle Selbstbeherrschung, deren er fähig war, um nicht wie ein kleiner Junge über den Verlust zu weinen.
Schließlich drehte er das Wasser ab und ermahnte sich. Er sollte sich endlich zusammenreißen, mit seinem Leben weitermachen und den Schwierigkeiten entgegentreten.
Wie sollte er, zum Beispiel, mit seiner Tante umgehen, wenn diese zurückkam? Was konnte er tun, wenn sie ihre Drohung wahr machte und einen grässlichen Skandal auslöste?
Ich hätte sie gleich stoppen müssen, erkannte er nun und presste zornig die Lippen aufeinander. Er hätte ihr sagen sollen, dass sie tun könne, was sie für richtig halte. Dann hätte sich Alessio einfach von ihr – und ihrem Sohn – fern gehalten.Gut, die beiden konnte er immer noch wegschicken und nie mehr wiedersehen.
Und genau das würde er tun.
Doch das Unrecht, das er Laura angetan hatte, konnte er nicht wiedergutmachen. Damit musste er von jetzt an leben.
10. KAPITEL
Laura hatte sich in den Schlaf geweint, war dann aber von bösen Träumen heimgesucht worden.
Sie hielt es auch für einen Albtraum, als sie eine Hand auf der Schulter spürte und Alessio hörte, der sie schroff aufforderte, endlich aufzuwachen.
Widerstrebend öffnete sie die Augen und sah ihn tatsächlich neben dem Bett stehen. Er wirkte, als hätte er ebenfalls schlecht geschlafen. Rasch zog Laura sich die Bettdecke bis ans Kinn.
„Was willst du?“, fragte sie, so schroff sie konnte.
„Es gibt ein ernstes Problem“, antwortete er. „Das Gewitter gestern hat einen Erdrutsch ausgelöst. Die Straße nach Besavoro ist vollständig blockiert. Guillermo hat es mir berichtet. Er wollte heute Morgen versuchen, ins Tal zu fahren.“
„Blockiert?“, wiederholte Laura bestürzt. „Das heißt … ich kann hier nicht weg?“
„Genau.“ Gleichgültig nickte er. „Da jedoch das Notstromaggregat funktioniert und für heißes Wasser und Licht sorgt, hast du es hier immer noch recht bequem.“
„Aber wie lange?“
„Die entsprechenden Räumungsgeräte sind aus Perugia angefordert. Aber bis die hier sind, kann es einen Tag dauern, und wer weiß, wie lange die Männer dann brauchen, bis die Straße frei ist.“
„Dir scheint es nichts auszumachen, dass wir hier
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