EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
praktischgefangen sind“, warf sie ihm vor.
„Mir tun die Unannehmlichkeiten leid“, sagte er eisig, „aber Fredos Schicksal macht mir größere Sorgen. Er wird vermisst, und seine Hütte stand vermutlich in der Bahn des Erdrutsches. Ich werde gleich aufbrechen und sehen, ob ich am Unglücksort von Nutzen sein und helfen kann.“
„Oh!“ Sie biss sich auf die Lippe. „Es tut mir wirklich leid wegen deines Freundes. Kann ich vielleicht auch irgendetwas tun?“
„Ja, beten“, erwiderte Alessio grimmig und verließ das Zimmer.
Laura blickte ihm nach und war froh, dass ihr die Worte nicht herausgerutscht waren. Fast hätte sie ihm gesagt, er solle auf sich aufpassen. Ihm zu zeigen, wie besorgt sie um sein Wohlergehen war, wäre verrückt.
Nun ist es also passiert, dachte sie. Sie hatte Alessio gesehen, mit ihm gesprochen … und es überlebt. Dass er Laura über ihre Zwangslage in Kenntnis setzen musste, hatte es seltsamerweise leichter gemacht. Wäre Laura ihm erst beim Frühstück begegnet, es hätte sie Überwindung gekostet.
Allerdings hatte Alessio ihr gerade den einzigen Trost genommen: so schnell wie möglich abzureisen und die beschämenden Ereignisse der vergangenen Stunden zu vergessen … wenn Letzteres überhaupt möglich war.
Unabsichtlich musste Laura den Eindruck erweckt haben, erfahren und weltgewandt zu sein, eine willige, raffinierte Frau, die Alessio jedes Vergnügen bereiten konnte, das er sich wünschte.
Stöhnend barg sie das Gesicht im Kissen, als sie an seine Zurückweisung dachte – und daran, dass sie sich trotzdem brennend nach Alessio sehnte, wie die kurze Begegnung es ihr vorhin bewiesen hatte.
Energisch setzte Laura sich plötzlich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Sie musste aufstehen und sich auf den Rest ihres Lebens vorbereiten, in dem Alessio Ramontella keine Rolle mehr spielte. Den kurzen Anfall von Wahnsinn vergessenund wieder vernünftig werden.
Ich schaffe es, schwor sie sich. Ich will und ich kann!
Die Wetterverhältnisse hatten sich wieder geändert. Der Himmel blieb an diesem Tag noch bewölkt, nur gelegentlich kam die Sonne durch. Eine stickende Schwüle beherrschte die Luft. Es roch nach nasser Erde und feuchtem Grün, beinah wie im Dschungel.
Obwohl Guillermo den Pool schon gereinigt hatte, wollte Laura nicht nach draußen. Sie ging rastlos durchs Haus wie ein gefangenes Tier.
Mittags versorgte er die Helfer an der Unglücksstelle mit Proviant und berichtete anschließend dem Haushälterpaar, dass man Fredo leider noch nicht gefunden habe. Am liebsten hätte Laura sich nach Alessio erkundigt, der immer noch fort war, aber sie glaubte, dass ihr diese Frage nicht zustand.
Den Roman las Laura zu Ende. Weil sie nicht wusste, wann genau sie abreisen konnte, borgte sie sich kein neues Buch. Um Zeit totzuschlagen, erkundete sie die älteren Teile des Hauses genauer und bewunderte die perfekt restaurierten Fresken an Wänden und Decken. Ein Haus wie dieses bedurfte ständiger Renovierung und liebevoller Pflege, aber das lohnte sich sichtlich.
Laura war empfänglich für den Reiz des Hauses und seine abgeschiedene Lage. Warum Alessio es als Zufluchtsort ansah, verstand Laura gut. Weshalb er jedoch einen so einsamen Ort gelegentlich brauchte, konnte sie nicht nachvollziehen.
Allerdings ist die ganze Lebensweise des conte ein einziges Rätsel für mich, sagte sie sich dann. Doch darüber wollte sie sich nicht länger den Kopf zerbrechen, denn er hatte ihr schon genug Kummer bereitet.
Nach dem Rundgang durch die Villa begab Laura sich in den Salon, um Klavier zu spielen. Musik hatte sie schon immer als tröstlich empfunden. In einer Mappe Notenblätter suchte Laura nach einem Stück von Beethoven, das sie in früherenJahren gelernt hatte.
Auf der ersten Seite entdeckte sie die Widmung „Meiner liebsten Valentina, mit immerwährender Liebe, von ihrem Ehemann.“
Laura hatte das Gefühl, etwas entdeckt zu haben, das nicht für ihre Augen bestimmt war, und blätterte rasch weiter. Sie wählte irgendein Stück aus und begann zu spielen. Erst als Emilia einen Leuchter mit bereits brennenden Kerzen in den Salon brachte, merkte Laura, wie lange sie am Klavier gesessen hatte.
„Es ist ja schon beinah Zeit, sich fürs Abendessen umzuziehen“, bemerkte sie nach einem Blick auf die Uhr. „Ist Conte Ramontella inzwischen zurück, Emilia?“
„Nein, signorina. Doch keine Sorge, bald ist er wieder bei Ihnen.“
Laura errötete. „Ich meinte nur, wir
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