Eros und Evolution
Genauso mag eine durchschnittliche Frau bestimmte intellektuelle Aufgabenstellungen besser lösen als der Durchschnittsmann, und doch gibt es viele Frauen, die bei dieser Aufgabe schlechter abschneiden als der beste Mann oder umgekehrt. Aber die Befunde dafür, daß sich ein durchschnittliches männliches Gehirn hinsichtlich bestimmter Eigenschaften von einem durchschnittlichen weiblichen Gehirn unterscheidet, sind inzwischen nicht mehr zu ignorieren.
Unterschiede, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, sind per definitionem genetisch. Doch bereits eine vorsichtige Andeutung, Männer und Frauen könnten genetisch unterschiedliche Gehirne besitzen, erschreckt das moderne Bewußtsein zu Tode, scheint diese Aussage doch Vorurteilen den Weg zu bahnen. Wie können wir eine gleichberechtigte Gesellschaft schaffen, wenn Männern »wissenschaftliche« Unterstützung für ihren Sexismus zuteil wird? Gebt den Männern einen Zentimeter an Unterschieden, und sie werden einen Kilometer von Vorteilen für sich beanspruchen: Im viktorianischen England war man der Ansicht, Männer und Frauen seien derart verschieden, daß Frauen nicht einmal das Stimmrecht bekamen. Im achtzehnten Jahrhundert glaubten manche Männer, Frauen seien logischer Schlußfolgerungen nicht mächtig. Doch weil man in der Vergangenheit geschlechtsspezifische Unterschiede schamlos übertrieben hat, heißt das nicht, daß es sie nicht geben darf. Für die Annahme, daß Mann und Frau einen identischen Intellekt haben sollten, gibt es a priori keinen vernünftigen Grund, und kein noch so inniger Wunsch wird es dazu kommen lassen, wenn dem nicht tatsächlich so ist. Mangelnde Gleichheit ist nicht gleichbedeutend mit mangelnder Gleichwertigkeit. Jungen interessieren sich für Gewehre, Mädchen für Puppen. Das kann Prägung sein, es kann aber auch genetisch bedingt sein, doch keines von beiden ist »besser« als das andere. Dazu der Anthropologe Melvin Konner: »Männer sind gewalttätiger als Frauen, und Frauen sind fürsorglicher als Männer – zumindest, wenn es um Säuglinge und Kinder geht. Es tut mir leid, wenn das ein Klischee ist, der Tatsache tut es jedoch keinen Abbruch.« 2 Außerdem sollte man folgendes bedenken: Nehmen wir an, es bestehen Mentalitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Ist es dann richtig, so zu tun, als gäbe es sie nicht? Nehmen wir an, Jungen seien wettbewerbsorientierter als Mädchen. Hieße das nicht, man erzöge Mädchen und Jungen besser getrennt? Es gibt Hinweise darauf, daß Mädchen nach einer Ausbildung auf einer reinen Mädchenschule erfolgreicher sind. Eine geschlechtsblinde Ausbildung ist unter Umständen eine unfaire Ausbildung.
Mit anderen Worten: Davon auszugehen, beide Geschlechter seien in geistiger Hinsicht als identisch zu betrachten, wenn dieses nicht zutrifft, ist nicht minder unfair als dort geschlechtsspezifische Unterschiede zu vermuten, wo es keine gibt. Wir haben immer angenommen, diejenigen hätten die Last der Beweisführung zu tragen, die von der Existenz angeborener geistiger Unterschiede überzeugt sind. Vielleicht haben wir uns geirrt.
Männer und Landkarten
Nachdem das geklärt ist, wollen wir uns der Beweislage zuwenden. Es gibt drei Gründe, weshalb man erwarten sollte, daß die Evolution bei Mann und Frau verschiedene intellektuelle Qualitäten hervorgebracht hat: Erstens, weil Männer und Frauen Säugetiere sind und man bei allen Säugetieren geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede kennt. Um mit Charles Darwin zu sprechen: »Niemand bezweifelt, daß sich die Anlagen eines Bullen von denen einer Kuh unterscheiden, die des Keilers von der Wildsau, die des Hengstes von der Stute.« 3 Zweitens, weil Männer und Frauen Menschenaffen sind und es sich bei allen anderen Menschenaffen auszahlt, wenn Männchen anderen Männchen gegenüber aggressiv sind, wenn Männchen Gelegenheit zu häufiger Paarung suchen und wenn Weibchen sich aufmerksam ihren Jungen widmen. Und drittens schließlich, weil Männer und Frauen Menschen und als solche Säugetiere mit einem höchst ungewöhnlichen Merkmal sind: mit einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Während bei den Schimpansen Männchen und Weibchen dieselben Nahrungsvorkommen erschließen, bemühten sich vor der Einführung des Ackerbaus Mann und Frau in nahezu allen Lebensgemeinschaften auf verschiedene Art und Weise um den Nahrungserwerb. Männer suchten nach Vorräten, die beweglich, weit entfernt und unbeständig waren (in aller
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