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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Schlüssel verfügt. Von Zeit zu Zeit besitzt der Wirt ein Schloß, das zu dem Schlüssel paßt, und das Virus wird unterdrückt.
    Doch schlußendlich – zehn Jahre später vielleicht – verschaffen die Zufallsmutationen dem Virus einen Schlüssel, für den der Wirt gerade kein Schloß besitzt. An diesem Punkt hat das Virus gewonnen. Es hat die Lücke im Schloß-Repertoire des Immunsystems gefunden und legt los.
    Im Prinzip durchläuft das AIDS-Virus dieser Theorie nach eine Evolution, bis es eine ungedeckte Stelle in der Immunrüstung des Körpers entdeckt hat. 41
    Für alle Krankheitserreger besteht der Selektionsdruck darin, die Codewörter des Wirts nachzuahmen. Für alle Wirtsorganismen besteht der Selektionsdruck darin, das Codewort ständig zu ändern. Und hier kommt nach Bremermann die Sexualität ins Spiel.
    Die Histokompatibilitätsantigene legen nicht nur die Codewörter für die körpereigene Identifizierung fest, sondern sind auch für die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten verantwortlich. Sie sind extrem polymorph. In einer Durchschnittspopulation von Mäusen gibt es mehr als hundert Versionen jedes einzelnen Histokompatibilitätsgens, beim Menschen sogar noch mehr. Jede Person trägt eine einzigartige Kombination dieser Moleküle. Deshalb werden zum Beispiel Transplantate von einer Person zur anderen bei jedem Menschen – außer bei eineiigen Zwillingen – abgestoßen, wenn man nicht spezielle Medikamente einnimmt. Ohne geschlechtliche Fortpflanzung ist es unmöglich, einen solchen Grad an Polymorphie aufrechtzuerhalten.
    Ist das Vermutung oder Wahrheit? Im Jahre 1991 entdeckten Adrian Hill und seine Mitarbeiter von der Oxford University die ersten brauchbaren Indizien dafür, daß die hohe Variabilität von Histokompatibilitätsantigenen durch die stete Auseinandersetzung mit pathogenen Organismen (mit Krankheiten) zustande gekommen sein muß. Sie stellten fest, daß dort, wo die Malariadurchseuchung hoch ist, auch ein ganz bestimmtes Histokompatibilitätsantigen (HLA-Bw53) extrem häufig ist, das andernorts eher selten vorkommt. Bei Kindern, die an Malaria erkrankt sind, findet man im allgemeinen kein HLA-Bw53 – möglicherweise liegt hier die Ursache für ihre Erkrankung. 42 Eine außerordentliche Entdeckung in diesem Zusammenhang stammt von Wayne Potts von der University of Florida in Gainesville: Hausmäuse scheinen nur solche Hausmäuse als Partner zu wählen, deren Histokompatibilitätsgene sich von den ihren unterscheiden. Sie sind offenbar in der Lage, dies am Geruch zu erkennen. Eine solche Bevorzugung maximiert die Vielfalt an Histokompatibilitätsgenen bei Mäusen und macht die Jungen widerstandsfähiger. 43

Bill Hamilton und die Macht der Parasiten
    Viele Autoren denken darüber nach, daß Sexualität, Polymorphismus und Parasiten irgend etwas miteinander zu tun haben. Mit dem ihm eigenen Weitblick kam J. B. S. Haldane der Sache am nächsten: »Ich möchte die Möglichkeit zu bedenken geben, daß [die Heterozygotie] möglicherweise eine Rolle bei der Resistenz gegenüber Krankheiten spielt: in Gestalt einer ganz besonderen Art von Wettrennen zwischen Bakterien oder zwischen Viren, die an Individuen von bestimmter biochemischer Verfassung angepaßt sind, während die anderen Zustände relativ unberührt bleiben.«
    Haldane schrieb dies im Jahre 1949, vier Jahre bevor die Struktur der DNA aufgeklärt wurde. 44 Einem indischen Kollegen Haldanes, Suresh Jayakar, gelang es einige Jahre später, noch weiter zum Kern des Problems vorzudringen. 45 Danach sollten diese Überlegungen bis zum Ende der siebziger Jahre auf Eis liegen. Zu diesem Zeitpunkt gelangten innerhalb weniger Jahre fünf verschiedene Leute unabhängig voneinander zu derselben Erkenntnis: John Jaenike aus Rochester, Graham Bell aus Montreal, Hans Bremermann aus Berkeley, John Tooby aus Harvard und Bill Hamilton aus Oxford. 46
    Hamilton ist jedoch derjenige, der dieser Verbindung von Sexualität und Krankheit am beharrlichsten nachgegangen ist und den man auch am meisten damit in Zusammenhang bringt. Seiner äußeren Erscheinung nach verkörpert Hamilton – auf eine schon beinahe unglaubwürdige Weise – das Bild des zerstreuten Professors: Die Brille an einer Schnur um den Hals, die Augen fest auf den Boden gerichtet, wandelt er durch Oxfords Straßen. Sein bescheidenes Benehmen und sein lockerer Schreib- und Erzählstil täuschen jedoch. Hamilton hat die Gabe, in der Biologie stets zur rechten Zeit und am rechten Ort

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