Eros

den Dienst. Irgendwann sagte ich:
     
    –  Ich weiß, wer du bist.
    –  Wird dein Telefon abgehört?
    –  Nein.
    Der Gedanke daran war mir noch nie gekommen. Wurde mein
Telefon abgehört? Ganz auszuschließen war es ja nicht.
     
    –  Hör zu. Bist du noch dran?
    –  Ich bin da. Wo bist du?
    –  Kann ich dir nicht sagen.
    –  Du klingst so nah. Wie um die Ecke.
    –  Hör doch mal zu! Ist wichtig. Hörst du zu?
    –  Ja.
    –  Einer meiner Leute hier hat ne Akte über dich gefunden, da steht
drin, daß wir uns kannten.
    –  Hmmhm. Was für ne Akte? BKA?
    –  Quatsch. Hör zu, das ist kein Scherz. Wir wollen dich entführen. Zwei
Millionen Lösegeld.
    –  Aha.
    –  Ich soll dich anrufen und zu einem Treffpunkt locken. Dort wirst du
einkassiert. Ich hab mich schlecht weigern können.
    –  Klar. Völlig verständlich.
    Ich fand das Gespräch überaus erheiternd, ich mußte mich
zusammennehmen, um nicht zu weinen.
     
    –  Deswegen ruf ich an.
    –  Wohin soll ich kommen?
    –  Was?
    –  Wohin soll ich kommen?
    –  Nirgends hin, du Idiot. Ich will das nicht.
    –  Warum nicht?
    –  Du stellst vielleicht blöde Fragen …
    –  Das ist doch eine prima Idee. Ich würde dich gern wiedersehn …
    –  Das ist überhaupt nicht lustig, Mensch! Sei jetzt nicht so
gottverdammt albern. Ich mein’s ernst.
    Ich rutschte vor Aufregung auf Knien im Zimmer herum und
zitterte vor Freude. Sie meinte es ernst!
     
    –  Aber, Sofie, ich will nicht, daß du wegen mir Ärger bekommst.
    –  Was?
    –  Wenn ich nicht zum Treffpunkt komme, werden deine Leute Verdacht
schöpfen.
    –  Spinnst du? Begreif doch! Ich bin die auf den Fahndungsplakaten. Du
würdest niemals zum Treffpunkt kommen. Das hab ich denen auch gesagt. Sie haben
mich trotzdem gezwungen, anzurufen. Gut, das ist hiermit erledigt. Bleib die
nächsten Tage in deinem Bunker, dann passiert dir nichts.
    –  Aber … mir würde sowieso nichts passieren. Ich würde doch zahlen.
    –  Bist du krank oder was?
    –  Ich möchte nur kooperieren! Zwei Millionen, bitte, das ist nicht das
Thema, ich will dich wiedersehen. Komm zu mir! Ich geb dir das Doppelte. Deine
Freunde kannst Du mitbringen!
    Wir haben wohl aneinander vorbeigeredet. Am anderen Ende
der Leitung wurde es still, ganz still, fast eine halbe Minute lang, ich
fürchtete bereits das Schlimmste. Dann hörte ich ihren Atem, er ging
unregelmäßig. Meine Geliebte schien von der Situation etwas überfahren.
     
    –  Ich ruf bei dir an und warne dich – und du machst dich lustig?
    –  Ja, es war unüberlegt, du mußt nicht zu mir kommen, das ist Quatsch,
du kannst mir ja nicht trauen. Ich komme zu dir. Ich könnte das Geld gleich
mitbringen. Du sagst denen, du triffst mich allein. Wo sollen wir uns denn
treffen?
    –  Vergiß es! Blödmann!
    Ihr Tonfall klang zunehmend wütend. Mir war nicht klar,
warum.
     
    –  Bitte – sag! Wo hätten wir uns treffen sollen? Sag doch!
    –  Inner Wirtschaft in deiner Nähe. Zum weißen Hirsch. Ist doch ganz
egal.
    –  Kenn ich. Wann?
    –  Morgen abend um zehn. Was soll das? Du kommst dir bestimmt ganz ganz
toll vor …
    –  Ich werde da sein. Du kannst das Geld haben. Von mir aus in kleinen
Scheinen, das wird von der Zeit her knapp, aber es geht. Hörst du?
    Sie legte auf. Vielleicht war sie von jemandem gestört
worden? Ich gab sofort Anweisung, mir das Geld in Hundertmarkscheinen in einem
Aktenkoffer bis zum morgigen Nachmittag bereitzustellen. Zehntausend
Hundertmarkscheine. So wenig war das eigentlich gar nicht, rein vom Gewicht
her. Vielleicht würden zwei oder drei Aktenkoffer nötig sein.
    Von Brücken bemühte sich, die Euphorie, die er an jenem
Tag empfand, für mich noch einmal nachzustellen. Herauskam dabei eine
faszinierend vielschichtige Clownerei, die oft brüchig wurde und ins Traurige
umkippte, Slapstick, der zur Selbstanklage wurde, zur Selbstverspottung.
    Sofie tritt aus der Telefonzelle. Im Wagen wartet Jacob,
das Benzin geht zur Neige, er hat den Motor abgestellt und zittert vor Kälte,
hat die Arme vor der Brust verschränkt, wippt vor und zurück.
    »Und? Was hat er gesagt?«
    »Daß er sein Lösegeld gleich mitbringt.« Sofie schlägt einen
unterkühlt sarkastischen Ton an.
    »Mist …«
    »Hat sofort alles durchschaut.«
    »Naja. Den Versuch wars wert.«
    »Zeitverschwendung.«
    Am nächsten Abend, schon um neun, saß ich in der
Wirtschaft zum weißen Hirsch. Und