Erregende Ermittlungen
Schießerei ausarten, aber ohne die Kimber fühlte sie sich einfach nackt.
Dreißig Sekunden später war sie hinter dem Steuer des Mitsubishi. Sie fluchte, als der erste Dreh des Zündschlüssels keinerlei Folgen zeigte, und presste dann mit beiden Knien die Plastikabdeckung der Lenkradverkleidung nach oben. Stotternd sprang der Motor an. Als sie aus der kleinen Einfahrt bog, erhaschte sie gerade noch einen Blick auf John, der geduckt von der anderen Seite herbei hastete. Sie seufzte. Seine Gestik war etwa so unauffällig, als würde er eine signalrote Flagge mit der Aufschrift „VERDÄCHTIG!“ schwenken. Hoffentlich hatte ihn niemand gesehen und hielt ihn für einen Einbrecher oder so etwas. Ein Besuch vom lokalen Sheriff war genau das, was sie jetzt nicht brauchten.
Das Boot war bereits an der schmalsten Stelle des kleinen Sundes, und für einen Moment befürchtete sie, dass es in den winzigen Hafen auf der gegenüberliegenden Seite einfahren würde, den ihre Touristenkarte als „Gunning Cove“ auswies. Das hätte bedeutet, dass sie um die komplette Bucht herumfahren musste und aller Wahrscheinlichkeit nach zu spät gekommen wäre, um den weiteren Weg des Mannes zu verfolgen.
Aber das Boot schwenkte gleich darauf zurück auf den ursprünglichen Kurs und hielt genau auf die Dächer von Shelburne zu, die sich über den Baumsilhouetten im Gegenlicht abzeichneten. Sie beschleunigte etwas, blieb aber deutlich hinter dem Boot.
Wenige Minuten später hatten sie die drei oder vier Meilen bis zu der Kleinstadt zurückgelegt. Megan hielt auf einer kleinen Anhöhe, kaum mehr als eine Bodenwelle, von der sie aber einen guten Überblick über die ganze Küste hatte. Gleich links von ihr lag ein größeres Werftgelände mit einer Pier, die das Boot aber genauso passierte wie die Anlegestelle der drei Trawler und einiger kleineren Fischerboote, die offenbar die hiesige Fischereiwirtschaft darstellten. Es schien auf den kleinen Wald aus dünnen Masten hinter einer schützenden Einfahrt gleich vor dem Ort zuzuhalten. Megan gab Gas und kurvte schnell durch die ersten Wohnviertel. Wie erwartet stieß sie auf Hinweisschilder, die in Richtung „Shelburne Harbour Marina Association“ und „The Shelbourne Harbour Yacht Club“ wiesen. Der letztere stellte sich als nüchterner Zweckbau direkt am Wasser vor. Dahinter glitzerte das Weiß von Booten, die eindeutig nicht für schwere Arbeitsdienste gebaut waren.
Megan hielt in ausreichender Entfernung von der Ausfahrt hinter ein paar dünn belaubten Büschen. Ihr Atem ging langsam und gleichmäßig. Sie fühlte sich völlig klar, völlig präsent. Die ganzen lästigen Gedanken an John waren wie weggeblasen. Nur professionelle Aufmerksamkeit blieb übrig. Kurz verzogen sich ihre Lippen zu einem Grinsen. Wenn man seinen Job so liebt, dass man ihn sogar im Urlaub macht, dann konnte diese Berufswahl nicht völlig verkehrt sein, oder?
Sie war auf der Jagd.
Und sie genoss es!
Wenige Minuten später kam jemand aus dem Club geschlendert und drückte auf einen Schlüssel. Die Blinker eines neuen, weißen Mercedes leuchteten zum Willkommensgruß auf. Der Mann sah sich kurz um, setzte sich in die schwere Limousine und kam gleich darauf auf der gegenüber liegenden Straßenseite an Megans Standort vorbei. Sie hatte sich rechtzeitig abgeduckt. Ihr silbergrauer Mitsubishi sollte unauffällig genug sein, um dem Fahrer des Mercedes nicht in Erinnerung zu bleiben. Sie verfolgte im Rückspiegel den Kurs des Mercedes und startete mit einer schnellen 180-Grad-Wende, sobald er um die Ecke gebogen war.
Eine Verfolgung hier war schwieriger als in der Stadt. Der Verkehr war dünn, um nicht zu sagen inexistent. Sie passierte lediglich einen alten Dodge und einen lächerlich aufgemotzten roten Porsche, während sie dem Mercedes in großem Abstand bis zu der Gegend folgte, die hier wohl das Zentrum darstellte. Der Wagen parkte vor einem kleinen Supermarkt. Der Fahrer stieg aus und schlenderte nach einem wachsamen Rundumblick in das Gebäude aus weiß bemaltem Wellblech. Er trug schicke, helle Seglerhosen und ein blau gemustertes Poloshirt und schien im mittleren Alter zu sein.
Megan stellte ihren Wagen in die Straße seitlich des Supermarktes und folgte ihm rasch in den Markt. Das sanfte Prickeln in ihren Handflächen, das Glimmen des Adrenalins in ihren Adern und die unterdrückte Erregung der Beschattung vermischte sich zu der wohlbekannten Melange aus schnellen Eindrücken, Einschätzungen,
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