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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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haben. In gewisser Weise gab es eigentlich keinen Zeitpunkt, zu dem er es nicht spielte! Morgens beim Aufwachen hatte er den Blick auf die Deckenplatten des Büros gerichtet, das sein Schlafzimmer war, sich erneut die Positionen aller Figuren angesehen und darüber nachgedacht, welche Züge er an diesem Tag machen würde, mit welchen Gegenzügen er seine Überlebenschancen würde maximieren können.
    Irgendwo hatte er jedoch gehört, unter mathematischen Gesichtspunkten sei das Spiel Go schwieriger als Schach, insofern nämlich, als der Baum aus möglichen Zügen und Gegenzügen viel verzweigter sei: so verzweigt, dass selbst ein Supercomputer es nicht schaffe, alle Möglichkeiten durchzuarbeiten. Es gab Schachprogramme, die einen Kasparow herausfordern konnten, aber kein Computerprogramm war in der Lage, einem Top-Gospieler ein Spiel zu liefern, das auch nur mäßig anspruchsvoll war. Angeblich konnte man sich Go gar nicht als logische Folge bestimmter Züge und Gegenzüge vorstellen; man musste visuell denken, Muster erkennen und ein Gespür entwickeln.
    Vor genau dreißig Sekunden – als Zula getan hatte, was immer, zum Teufel, sie getan hatte – war das Ganze von einem Schach- in ein Gospiel übergegangen.
    Es konnte sein, dass Zula beschlossen hatte, Iwanow zu geben, was er wollte, den Troll zu verraten und auf Iwanows Gnade zu hoffen. Wenn das der Fall war, würden sie in ein paar Sekunden eine Wohnung voller entsetzter chinesischer Hacker stürmen, und etwas Bedauerliches würde geschehen. Warum nur, warum war Iwanow aus dem Lieferwagen heraufgekommen? Warum folgte er ihnen jetzt die Treppen hinauf? Wäre er einfach unten in dem Fahrzeug sitzen geblieben, wäre Sokolow vielleicht imstande gewesen, die Situation geschickt zu lösen, womöglich mit einem Hacker im Schlepptau das Gebäude zu verlassen, während er die anderen hätte entkommen lassen. Vielleicht hätte Iwanow sich damit zufriedengegeben, diesem einen Hacker einen Heidenschrecken einzujagen, ihm ein bisschen wehzutun. Danach müsste Sokolow die Absichten seines Chefs in Bezug auf Zula erraten. Er hatte bereits den Entschluss gefasst, dass er, falls nötig, körperlich eingreifen würde, um sie zu schützen. Selbst wenn das Iwanows Tod bedeuten sollte.
    Andererseits war es auch möglich, dass Zula sie ins Blaue geschickt hatte. Dass sie im Begriff waren, in eine leerstehende Wohnung einzubrechen. In diesem Fall wäre die Hölle los, sobald Iwanow klar wurde, dass Zula ihn verarscht hatte und dass die Hacker, die ihn zuvor verarscht hatten, gerade aus dem Gebäude flohen. Das war tatsächlich der Punkt, an dem es zu einem Gospiel würde, denn Sokolow konnte sich nicht einmal ansatzweise den Baum aus Zügen und Gegenzügen vorstellen, der aus einem solchen Vorfall erwachsen würde.
    Deshalb versuchte er es erst gar nicht. Er gab es auf und akzeptierte die Tatsache, dass er intuitiv würde vorgehen müssen, wie ein Gospieler. Obwohl er noch nie in seinem Leben Go gespielt hatte.
    Einstweilen musste er von der Annahme ausgehen, dass Zula ihnen die richtige Information gegeben hatte und dass Wohnung Nummer 505 etwa zehn junge männliche, zumeist schlafende Hacker enthalten würde. Maßgeblich bewaffnet würden sie nicht sein. In der Nacht zuvor war er das mit seiner Truppe durchgegangen und hatte sie morgens, bevor sie das sichere Haus verlassen hatten, noch einmal daran erinnert: Ihr taktisches Vorgehen musste so aussehen, dass sie die Wohnung innerhalb der ersten fünf Sekunden nach dem Einschlagen der Tür überschwemmten. Sie mussten jeden einzelnen dieser Hacker aufspüren und ihm sein Handy und seinen Computer abnehmen, ehe er einen Notruf absetzen konnte. Die Festnetzanschlüsse mussten gefunden und gekappt werden. Die gesamte Wohnung musste ausgekundschaftet werden. Sie konnte aus einem einzelnen Raum oder auch einem Gewirr von kleineren Zimmern bestehen. Manche der hinteren Räume konnten Fluchtmöglichkeiten bieten: Wege nach draußen auf Feuerleitern und Balkone. Der Plan bestand nun darin, kaum dass die Tür eingeschlagen war, hindurchzustürmen und einen Mann zur Sicherung der Mitte zurückzulassen, während sich die anderen sechs so weit und so tief in die hintersten Ecken der Wohnung verteilten, wie sie konnten. Wenn sie dann die Peripherie gefunden und gesichert hätten, würden sie sich wieder Richtung Mitte vorarbeiten und die Hacker dabei vor sich hertreiben. Alle würden sich schließlich an derselben Stelle befinden, und dann

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