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Snowcats , die auf Panzerketten über den Schnee fuhren, wurden Gäste im Pendelverkehr zu den Ausgangspunkten der Abfahrten hinaufgebracht. Das vermittelte ein völlig anderes Gefühl als die Skigebiete im Stil von Aspen mit ihrer futuristischen, schwebenden Techno-Infrastruktur von Skiliften.
Cat-Skiing war zwar nicht so teuer und glanzvoll wie Heli-Skiing, für richtig hartgesottene Skiläufer jedoch befriedigender. Beim Heli-Skiing mussten alle Voraussetzungen stimmen. Der Ausflug musste im Voraus geplant werden. Beim Cat-Skiing konnte man spontaner sein. Das mit Dieselgeruch verbundene, nahezu sowjetisch anmutende Erlebnis sorgte dafür, dass die wirklich superreichen, auf Glamour bedachten und eher von der Helikopterlösung angezogenen Wintersportler, in der Regel eine Mischung aus wahrhaft fantastischen Skifahrern und den Mehr-Geld-als-Hirn-Typen, deren erfrorene Leichen auf den Zugangswegen zum Mount Everest verstreut lagen, ausgefiltert wurden.
Für Richard und Chet, die fünfzehn Jahre zuvor, um ein kohärentes Unternehmenskonzept für das Schloss zu erstellen, erst einmal all diese Stammesunterschiede innerhalb der Zielgruppe der Skibesessenen hatten herausfinden müssen, war das Schnee von vorgestern. Es erklärte jedoch vieles, was den Stil des Hotels betraf, der vielleicht protziger, unverhohlen luxuriöser gewesen wäre, hätte er auf ein anderes Marktsegment abgezielt. Stattdessen hatten Richard und Chet den Stil des Hauses bewusst an den der kleinen familiären Skigebiete in British Columbia angelehnt, die eher behelfsmäßiger Natur und mit Schlepp- und Sesselliften ausgestattet waren, die ortansässige Sportfanatiker zusammengeschweißt hatten. Das Haus sollte in seinem allgemeinen Erscheinungsbild weniger geleckt wirken, weniger einem Firmendesign entsprechen als in den Gebieten südlich der Grenze üblich, und als solches sprach es nicht alle, ja sogar eher die wenigsten Skifahrer an. Umgekehrt schätzten diejenigen, die hierherkamen, es umso mehr, hatten sie doch das Gefühl, dass schon ihre Anwesenheit an diesem Ort sie als wahre Elite kennzeichnete.
In einer Ecke saß eine Gruppe von sechs lächerlich fachkundigen Skifahrern – Vertreter von Herstellern, die Wintersportveranstalter aufsuchten –, sehr betrunken, denn sie hatten den Tag oben auf den Tiefschneepisten verbracht, wo sie die Asche eines Freundes verstreut hatten, der an einer Überdosis derselben Droge gestorben war, die Michael Jackson getötet hatte. Einen anderen Tisch hielten ein paar Russen besetzt: Männer Mitte fünfzig, noch halb in Skiklamotten, und jüngere Frauen, die überhaupt nicht skigefahren waren. Ein junger Filmschauspieler, nicht aus der ersten Riege, aber anscheinend gerade als wirklich hip geltend, ließ es mit drei etwas weniger glamourösen Freunden ruhig angehen. An der Bar hatte die übliche Besetzung aus Skiführern, Einheimischen und Pistenraupenmechanikern den übrigen Gästen den Rücken gekehrt, um bei stummgeschaltetem Ton ein Eishockeyspiel anzuschauen.
»Die Apostropocalypse ist für die gegenwärtige Neuausrichtung in T’Rain, was der Vertrag von Versailles für den Zweiten Weltkrieg war«, sagte Richard, wobei er in der Hoffnung, dass die anderen es kapierten, absichtlich den Ton eines Wikipedia-Beiträgers nachahmte.
Während Zula wenigstens höfliche Aufmerksamkeit zeigte, bekam Peter überhaupt nichts davon mit, denn er war, seit er vor etwa einer Viertelstunde windgegerbt und sonnenverbrannt und zutiefst befriedigt von einem Snowboardtag gekommen war, wie gebannt mit seinem Handy beschäftigt gewesen. Zula, die wie Richard nicht Ski fuhr, hatte diesen Ausflug letztlich in einen Arbeitsurlaub umgemünzt und war im Apartment über die dedizierte Glasfaserverbindung, die Richard unter absurden Kosten aus dem Tal zum Schloss hatte herauflegen lassen, mehrere Stunden täglich an den Servern von Corporation 9592 angemeldet. Peter dagegen entpuppte sich als ausgesprochen hartgesottener Snowboarder, der Zula zufolge seit dem Familientreffen viel Zeit damit verbracht hatte, in Geschäften nach speziellen für Tiefschnee optimierten Snowboards der Extraklasse zu suchen; erst wenige Wochen zuvor hatte er schließlich in einem Laden in Vancouver eins gekauft. Das behandelte er jetzt wie eine Stradivari, hätte es am liebsten jeden Abend liebevoll zugedeckt, und Zula war sich nicht zu schade, eine Spur von Eifersucht zu zeigen.
Peter und Zula hatten sich ein langes Wochenende genommen. Sie waren
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