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noch nicht erklären, wieso, und gedachte daher keine Spesenabrechnung einzureichen. Was, wie sich herausstellte, ohnehin kein Thema war, da Richard die Zeche bezahlte, bevor er sie zu ihrem Hotel zurückfuhr.
Erst um elf Uhr am nächsten Morgen war sie wirklich imstande, am NAG , dem Nordamerikanischen Gambit, zu arbeiten, was ihr Name für die Theorie war, dass Jones eine Möglichkeit gefunden hatte, seinen gestohlenen Businessjet von Xiamen direkt zu diesem Kontinent zu fliegen. Hier in der FBI -Dienststelle Seattle wiesen alle Anzeichen darauf hin, dass ihre lokalen Ansprechpartner von Leuten in Washington gesteuert wurden, die es sehr ernst damit meinten, dieser Theorie auf systematische Weise nachzugehen. Das war einerseits gut, andererseits schlecht. Es war natürlich hilfreich, dass ihre Theorie ihnen immerhin so sehr gefiel, dass sie sie ernstnahmen und Ressourcen für ihre Untersuchung bereitstellen. Aber wer auch immer das Projekt in Washington leitete, war ein Mann oder eine Frau der Organisation, jemand von fleißiger, ingenieurhafter Denkart, der viel Zeit damit verbrachte, sich über ordnungsgemäße Rechnungslegung Sorgen zu machen. Mit anderen Worten, kein Seamus Costello. Wie es schien, verfuhr man sehr oft doppelgleisig: So wurde jener hypothetische Flug auf genau die gleiche Weise durchgespielt und simuliert, wie man das eine Woche zuvor schon beim MI 6 getan hatte. Immer neuere und bessere »Ressourcen« wurden »online gestellt« und immer mehr »ausgebuffte« Analytiker »einbezogen« und »auf den neuesten Stand gebracht«. Von diesen Entwicklungen erfuhr Olivia aus zweiter und dritter Hand, und aus dem Ton der E-Mails und dem Gesichtsausdruck der Leute ging hervor, dass man Dankbarkeit für diese Fortschritte von ihr erwartete. Und doch erbrachten alle diese Verbesserungen aus dieser Distanz, Tausende von Kilometern von dem Besprechungsraum am Beltway entfernt, in dem das ganze Geschehen stattfand, keinerlei Ergebnisse außer weiteren Verzögerungen. Erst ungefähr vierundzwanzig Stunden nach ihrem Treffen mit Richard Forthrast bekam sie erstmals Zugang zu einigen der Daten, die sie brauchte, um das NAG ernsthaft zu bewerten: Listen von Kennzeichen privater Flugzeuge, die um den fraglichen Zeitpunkt herum (also vor mittlerweile zweieinhalb Wochen, lange genug, um ihr das Gefühl zu vermitteln, sie verfolge eine hoffnungslos kalte Spur) auf Flugplätzen in den Vereinigten Staaten gelandet waren, und hochauflösende Satellitenbilder von abgelegenen Gegenden im Nordwesten der Vereinigten Staaten, wo computerbildverarbeitende Algorithmen weiße Formen entdeckt hatten, die so aussahen, als könnte es sich möglicherweise um Passagierflugzeuge handeln.
Früh am Nachmittag bekam sie eine SMS von Richard Forthrast, der sie darüber informierte, dass er nur ein paar Straßen weit weg an der Greyhound-Station die Zeit totschlage und ob sie Lust auf eine Tasse Kaffee habe. Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass sie stark beschäftigt war und keine Zeit hatte, aber die Nachricht klang verlockend geheimnisvoll, Kaffee hörte sich gut an, und Richard war im Allgemeinen eine angenehme Gesellschaft. Also nahm sie den Fahrstuhl ins Erdgeschoss und ging zu Fuß zur Greyhound-Station, wo sie Richard und John vorfand, die auf einer Bank saßen, die New York Times bzw. Reader’s Digest lasen und auf den Bus aus Spokane warteten, der wegen schlechten Wetters am Snoqualmie-Pass Verspätung hatte. Jacob Forthrast hatte beschlossen, sein Grundstück in Idaho zu verlassen und etwas Zeit mit seinen beiden älteren Brüdern zu verbringen. »Er kommt sich nutzlos vor«, lautete Richards Erklärung – genau die Art von kalter, mitleidloser Analyse, wie sie nur zwischen Geschwistern stattfinden kann –, »und als er mitgekriegt hat, dass wir doch nicht nach China fliegen, hat er den nächsten Bus genommen.« Er blickte über seine Lesebrille und seine New York Times hinweg zu Olivia auf und musste ihr wohl angesehen haben, dass ihr bestimmte Fragen auf der Zunge lagen, die zu stellen sie zu höflich war: Hat er denn kein Auto? Ist er zu arm, um sich ein Flugticket leisten zu können? Richard faltete seine Zeitung zusammen und ließ ihr eine kurze und knappe Erläuterung zu Jakes Glaubenssystem angedeihen, vorgebracht in einem Ton, der den Anschein erweckte, als hätte er das schon oft gemacht und wollte, dass es richtig gemacht wurde. Sein Ton war bemüht unbeteiligt und machte deutlich, dass er in nichts mit Jake
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