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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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einen wie Edelsteine glitzernden Wasserfall in einem tiefen, von Dunst erfüllten Kessel.
    Seamus hatte nach Pfaden Ausschau gehalten. Der Spur von Aufständischen, die sich auf geheimen Wegen durch den Wald schlichen.
    »Die Grenze«, sagte er.
    »Sie schauen genau drauf«, sagte der Pilot und zeigte in Richtung Norden. »Überfliegen will ich sie nicht, aber ich bringe Sie ganz nahe ran, wenn Sie wollen.«
    »Klar.«
    Sie überflogen einen teilweise bewaldeten Hang, der von dem Wasserfall zu einem sehr unebenen Plateau aus Felsblöcken, Schneefeldern und kleinen Baumgruppen anstieg. Oberhalb davon lag ein sehr viel breiterer und höherer Geröllhang, der laut dem Piloten zwei, drei Kilometer nördlich der Grenze lag und ungefähr parallel dazu verlief. Die Felswand, die daraus aufragte, war an einer Stelle von einer menschengemachten Öffnung durchbrochen, offensichtlich der Zugangsstollen zu einem alten Bergwerk.
    »Jemand hat den Felsen angemalt«, bemerkte Yuxia.
    »Wo?«, fragte Seamus.
    »Genau unter uns«, sagte Yuxia.
    Seamus’ Blick war waagrecht nach Norden gerichtet gewesen, doch nun schaute er senkrecht hinunter und sah, dass Yuxia recht hatte. Was er noch vor wenigen Augenblicken als knorrigen Baum identifiziert hatte, dessen Äste kleine, glänzend grüne Zweige mit frischem Laub trugen, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Geschnörkel von grellgrüner Sprühfarbe auf einem Felsen. Wie ein Graffito. Nur unmöglich zu entziffern.
    Er konnte nun auch die schwachen Spuren eines Pfades erkennen, der von Norden her, aus der ungefähren Richtung des alten Bergwerksstollens, zu dem Graffito führte. Auf dem Geröll war er fast nicht wahrzunehmen, aber hier und da sah Seamus kleine Häufchen von frischem Abfall, und an einer Stelle war deutlich auszumachen, dass jemand ein Schneefeld hinuntergerutscht und dabei zwei parallele Spuren gezogen hatte, die noch scharfe Kanten hatten, noch nicht von einem Tag oder auch nur einer Stunde Sonneneinstrahlung verwischt worden waren.
    Er folgte der Spur nach oben und sah ein Stück weiter zu seiner Überraschung einen Toten mit ausgestreckten Armen und Beinen auf einem Felsen liegen.
    »Ach du Scheiße«, sagte der Pilot, als er es ebenfalls sah.
    »Das sehen wir uns mal genauer an«, sagte Seamus, der wieder dieses komische Gefühl bekam: Wieder schüttete sein Körper Adrenalin aus. Der Hubschrauber richtete die Nase nach unten und beschleunigte in Richtung Norden.
    Sie überquerten gerade das Schneefeld mit der Spur, als Yuxia ein Japsen von sich gab, das beinahe ein Schrei war. »Er winkt uns zu!«, rief sie.
    »Wer winkt uns zu?«, gab Seamus skeptisch zurück. Denn der Mann auf dem Felsblock winkte definitiv nicht, und er war der Einzige, den Seamus sehen konnte.
    »Ich glaube, es ist Zulas Onkel«, antwortete Yuxia. »Ich habe ihn in der Wikipedia gesehen.«
    Über ihnen ertönte ein Knall von explosiver Lautstärke. Dann zwei weitere.
    »Was zum Geier?«, sagte der Pilot in der unheimlichen Stille, die folgte. Im Allgemeinen hatte Stille in einem Hubschrauber nichts Gutes zu bedeuten.
    »Wir werden beschossen«, sagte Seamus. Denn er hatte schon ähnliche Geräusche gehört. Im Allgemeinen waren Militärhubschrauber einer solchen Behandlung besser gewachsen, als es dieser gewesen war. »Sie haben den Motor erwischt. Beiß fest zusammen.« Er drehte sich zu Yuxia um, damit sie sein Gesicht sehen konnte, machte den Mund auf, steckte sich den Prospekt der Hubschrauberfirma hinein und biss darauf, wobei er die Lippen auf groteske Weise zurückzog, damit Yuxia seine zusammengepressten Kiefer sehen konnte.
    Während sie ihn unverwandt anstarrte, führte sie die Hand zum Mund, biss in das Ende ihres Tarnhandschuhs und zog die Hand daraus hervor.
    »Das wird eine harte Landung«, sagte der Pilot. Doch der Satz war noch gar nicht ganz heraus, als Seamus aufhörte, die Stimme im Kopfhörer zu hören, weil offenbar ein weiterer Schuss die Instrumententafel durchschlagen und der Elektrik den Garaus gemacht hatte.
    Der Pilot, das musste man ihm hoch anrechnen, wusste, was er zu tun hatte: Er handhabte die Bedienungselemente so, dass der Hubschrauber autorotierte, wodurch ein Teil der Absturzenergie in passives Drehen der Rotoren umgewandelt wurde, was die Absturzgeschwindigkeit geringfügig abbremste. Das und der Umstand, dass sie in schrägem Winkel auf dem Schneefeld aufschlugen, rettete sie. Trotzdem war der Aufprall so heftig, dass Seamus spürte, wie seine Zähne

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