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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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wo Sie hinfahren?«
    »Ich sehe meine Tüte doch da stehen.« Mrs Philpott zeigte auf das Regal hinter dem Tresen. Sie war immer noch nicht unfreundlich, was erstaunlich war, aber sie strahlte eine so natürliche Autorität aus,dass die meisten Leute vermutlich taten, was sie wollte. Ich spürte bereits, wie mein Widerstand bröckelte.
    »Ich darf da nicht rein.«
    »Es ist Tamoxifen«, sagte Mrs Philpott. »Ich brauche es jetzt und Sie werden es mir geben, auch wenn Sie dafür über den Tresen klettern müssen.«
    Tamoxifen war ein Krebsmedikament. Das hatte ich vor einer Ewigkeit in einer Zeitschrift im Warteraum meines Lieblings-Schönheitssalons in New York gelesen. Mrs Philpotts strenger Blick bohrte immer mehr Löcher in meine Gegenwehr.
    Ich holte 'die Schlüssel aus der Tasche, schloss die Tür auf und hoffte, dass der Nervenzusammenbruch des alten Mac noch mindestens weitere sieben Minuten dauern würde. Ich flitzte zum Regal, schnappte mir die Tüte mit dem Medikament und reichte sie ihr zusammen mit dem Vordruck, auf dem sie den Erhalt quittieren musste.
    »Hier steht, dass Ihre Versicherung die Kosten übernimmt«, sagte ich nach einem Blick aufs Etikett.
    »Verdammt richtig«, erwiderte Mrs Philpott und unterschrieb das Formular.
    Ich grinste und sie richtete sich auf und grinste zurück.

    »Haben Sie vielen Da-«
    »Was zur Hölle machen Sie da?« Der alte Mac riss die Tür auf und donnerte in den Apothekenbereich, der für uns beide entschieden zu klein war.
    Na toll. Musste er ausgerechnet jetzt wieder zu Verstand kommen? Er würde mich verhaften lassen, das war sicher. »James, reg dich ab«, sagte Mrs Philpott resolut. Sie steckte die kleine Papiertüte in ihre Handtasche. »Ich habe ihr praktisch die Pistole an den Kopf gehalten, damit sie mir mein Medikament herausgibt. Sie hat gesagt, dass sie das nicht darf.«
    »Das darf sie auch nicht!«, brüllte Old Mac, der wieder zu Hochform auflief. »Ich hole die Polizei! Das ist illegal!« Mrs Philpott hieb mit der flachen Hand auf den Tresen, was uns beide zusammenfahren ließ. Jetzt zeigte sich das ganze Ausmaß der stählernen Härte, die sie bei mir nur angedeutet hatte. »Jamie MacIntyre«, sagte sie mit leiser, kontrollierter Stimme. »Ich kenne dich seit der Highschool und du machst mir keine Angst. Ich habe sie dazu gezwungen, mein Rezept einzulösen. Du wirst ihr deswegen keinen Ärger machen. Und jetzt hör gefälligst auf, dich künstlich aufzuregen. Ist das klar?«
    Old Mac stand nur da, vollkommen sprachlos. Ich versuchte, Unschuld und Hilfsbereitschaft auszustrahlen, undverzog mich unauffällig zurück in den Laden.
    »Ist das ein Ja?«, fragte Mrs Philpott. Draußen hupte das Taxi und ich verzog das Gesicht. Ich wollte nie wieder in ein Taxi steigen.
    »Ja«, knurrte Old Mac widerstrebend.
    »Gut. Dann bis bald. Wir sehen uns, wenn ich zurückkomme.« Sie wandte sich zum Gehen und lächelte mir noch ein letztes Mal zu. Ich lächelte zurück.
    Nachdem sie weg war, beschloss ich, mich ebenfalls zu verdrücken, bevor er doch noch die Polizei rief. Ich warf ihm einen letzten Blick zu. Er sah kläglich und unbedeutend aus, wie er da hinter dem Tresen eines leeren Ladens stand. Eine Sekunde lang hätte ich gern etwas gesagt. Aber wahrscheinlich würde er mich nur wieder anbrüllen und dann die Cops holen.
    Also drehte ich mich um und ließ ihn stehen. Draußen wehte ein eisiger Wind. Ich musste zurück nach River's Edge.
    Ich wusste nicht, welchem Zweck mein kleiner Ausflug ge;dient hatte, aber er hatte mir eine Atempause verschafft. Ich startete mein Auto und ließ die Scheibenwischer den Schnee von der Windschutzscheibe fegen. Ich fühlte mich schrecklich, als wäre in mir derselbe eisige Winter wie draußen. Wieso hatte ich an Bear gedacht? Ich hatte doch extra trainiert, das nicht zu tun. Das war vor mehr als vierhundert Jahren, Nas. Vergiss es endlich.
    Ich fuhr die Main Street hinunter und mein Morgen wurde etwas freundlicher, als ich Dray entdeckte. Sie sah in ihrem kurzen Jäckchen mit dem billigen Kunstfellkragen halb er;froren aus. Ich winkte ihr zu, aber sie sah mich nur an. Da kein Verkehr war, konnte ich problemlos wenden.
    Dray war verschwunden. Ich schaute in beide Richtungen. Sie hätte nirgendwo hingekonnt - außer in eine schmale Gasse zwischen zwei Gebäuden. Um mir aus dem Weg zu gehen.
    Ich trug den Stempel »Versager« auf der Stirn, auf meinem ganzen

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