Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
Vom Netzwerk:
auszutricksen, dass es sie für manche Leute nicht zu geben schien. Leute wie uns. »Ich habe ihn an Dayton MacKenzie weitergereicht«, sagte Sarah Jane.
    »Das hat sie verdient«, sagte James/Incy. »Habt ihr gesehen, was sie letzte Woche im 21 getragen hat?«
    Sarah Jane und ich lachten boshaft. Dann wurden Sarah Janes Augen plötzlich ganz groß. »Grundgütiger. Wer ist dieser hinreißende Mann?« Sie zog an ihrer Zigarettenspitze und blies den Rauch durch die Nase aus, ein Trick, den wir schon den ganzen Tag übten.
    Ich schaute ebenfalls hin. Im Foyer stand ein ungewöhnlich gut aussehender Mann. Eine Riesenpalme in einem Marmorkübel verdeckte einen Teil seines Gesichts, aber er war groß und blond und trug einen wundervollen Leinenanzug. »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Du, James?«
    »Nein«, sagte James. »Aber er sieht aus wie jemand, den wir kennenlernen sollten. Meint ihr nicht auch, Ladys?« »Und ob«, bestätigte Sarah Jane und James führte uns beide kühn auf den Fremden zu.
    Der drehte sich zu uns um, als hätte er unsere Annäherung gespürt, und ich hörte, wie Sarah Jane nach Luft schnappte. Mir war der Fremde mit seiner glatten Haut, den blauen Augen und den langen Wimpern, die an einem Mädchen besser ausgesehen hätten, fast zu hübsch, aber für Sarah Jane war eindeutig ein Traum wahr geworden.
    Sarah Jane streckte ihren Arm aus und hielt ihm den Handrücken unters Kinn. Der Fremde küsste ihn wohlerzogen und sie schnurrte beinahe.
    »Entzückt«, murmelte er. »Ich bin Andrew. Andrew Vancouver.« »Sarah Jane Burkhard«, sagte Sarah Jane. »Und das sind Prentice Goodson und James Angelo.«
    Ich erkannte es, als sich unsere Blicke trafen: Andrew war ein Unsterblicher. Ihm ging es genauso - es war ein kurzes Aufblitzen in seinen Augen, das außer uns keiner mitbekam. »Sarah?«
    Wir drehten uns zu dem Mädchen um, das Sarah Janes Gesichtszüge hatte, aber zarter und noch hübscher war. Das Mädchen war jung, vielleicht sechzehn, jung und unberührt, es war abzusehen, dass eines Tages eine wunderschöne Frau aus ihr werden würde.
    »Ja, Lala, was ist?«, fragte Sarah Jane freundlich.
    »Ist das Champagner?«
    Sarah Jane lachte und hielt ihr das Glas hin. Das Mädchen lächelte schüchtern und nippte zögernd, während wir alle schmunzelnd zusahen. Lala schluckte und ihre großen blauen Augen wurden noch größer. »Das ist ... als würde man Blumen trinken.«
    »Was für eine hübsche Art, es zu beschreiben«, sagte Andrew. »Miss Burkhardt, Ihr Gast ist entzückend.«
    Sarah Jane lachte. »Sie ist kein Gast. Das ist meine kleine Schwester Louisa. Louisa, sag Hallo zu Mr Vancouver, Miss Goodson und Mr Angelo.«
    Louisa gab Andrew die Hand, dann mir und dann ergriff sie die von James und sah ihm in die Augen.
    Und so hatte Incy Lala Burkhardt getroffen und diese Be;gegnung war der Anfang des grässlichen Skandals um das arme Mädchen. Ich glaube, sie ist nach ihrem Selbstmord;versuch in einer Nervenheilanstalt in der Schweiz gelandet. Die ganze Sache war einfach grauenhaft. Inzwischen ist sie bestimmt längst tot.
    Und Andrew Vancouver? So haben wir Boz kennengelernt. Er bearbeitete auf dieser Party mal wieder eine Erbin und hatte zumindest eine Zeit lang auch Erfolg. Aber kurz bevor er sie vollständig ruinieren konnte, bekam ihr Vater Wind von der Sache und verjagte Boz mit Fußtritten.
    Danach hingen wir drei zusammen ab - wir waren aus demselben Holz geschnitzt.
    Die Zwanzigerjahre waren eine tolle Zeit. Partys und Sommerhäuser und all die nagelneuen Autos (pferdelose Kutschen!), die jetzt auf den Markt kamen. Die Frauen hatten sich endlich von den Korsetts verabschiedet - ein Glück - und an manchen Orten durften sie sogar wählen. Incy, Boz und ich amüsierten uns prima. Die Dreißigerjahre warennach dem Schwarzen Freitag nicht mehr so lustig, die Vierziger waren bitter, die Fünfziger irgendwie merkwürdig, so bieder und gekünstelt. Lustig wurde es in Amerika erst wieder ab den Sechzigerjahren.
    ***
    Ich lag immer noch im Schnee. All meine Sinne waren wie betäubt - ich war beinahe steif gefroren. Mich zu bewegen würde wehtun. Ich lag ganz still: Ich war allein, dunkel, heimatlos, hatte keinen Mantel und keine Freunde. Ich holte noch einmal tief Luft und fragte mich benommen, wie das alles enden würde. Mir fehlte die Energie, mich zu bewegen oder eine Entscheidung zu treffen.
    Ganz allmählich

Weitere Kostenlose Bücher