Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
im Cottage.«
»Ich weiß.« Er streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht. »Aber der Land Rover ist auch dort.« Es gelang ihm, mit fester Stimme zu sprechen. »Du mußt uns zurück zur Farm fahren.« Alison erwähnte er nicht. »Bist du schon mal mit einem Vierradantrieb gefahren?«
Sie schüttelte wortlos den Kopf.
»Na, macht nichts. Das ist ganz einfach. Ich habe schon überlegt, wie weit du damit auf dem Sand kommen würdest.« Er dachte einen Moment lang schweigend nach, dann seufzte er tief. »Nein. Das hat keinen Sinn. Es gibt hier so viel Schlamm und kaum festen Boden. Wenn du steckenbleibst, ist es aus. Unsere einzige Hoffnung ist ein Gehstock.« Irgendwie schaffte er es, daß seine Worte ermutigend klangen.
»Ich schau‘ mal, ob ich entlang der Flutlinie was finde.« Kate wischte sich die Nase am Ärmel ab œ genau wie ein kleines Kind, dachte er liebevoll œ und richtete sich erschöpft auf. »Ich gehe nicht zu weit weg. Ich bleibe immer in Sichtweite.« Sie beruhigte sich selbst damit ebenso wie ihn.
»Das ist, glaube ich, auch nicht nötig. Ich wundere mich ohnehin, wie gut man sehen kann, wenn man sich an die Dunkelheit gewöhnt hat. Da unten liegt eine Menge Zeug.« Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre. »Aber paß um Gottes Willen auf, wo du hintrittst, Kate. Tritt bloß nicht auch auf einen von diesen verfluchten Haken.«
Er sah zu, wie sie vorsichtig zurück zur Flutlinie ging. Was geschehen war, verschwamm in seiner Erinnerung; ein Alptraum, der plötzlich aufblitzte. Er hatte den Fuß auf etwas Schlüpfriges gesetzt; er wußte noch, daß es unter ihm weggerutscht und daß er im eisigen Wasser in die Knie gegangen war. Dann entsann er sich: Er war vor etwas weggerannt. Oder vor jemandem. Stirnrunzelnd zermarterte er sich das Gehirn.
Kate ging inzwischen langsam von ihm fort, nach vorn gebeugt, und suchte in dem Durcheinander herum, das die Flut angeschwemmt hatte. Sie fand einen Ast und hob ihn triumphierend hoch, aber er brach entzwei, sobald sie ihn belastete, und sie schleuderte ihn weg.
Sie war jetzt am Rand seines Gesichtsfelds. Greg versuchte, sie nicht aus den Augen zu verlieren. In der Dunkelheit war sie ein dunkler Fleck. Hin und wieder richtete er sich auf und blickte sich um. Dann konnte er ihr Gesicht sehen, ein blasses, verschwommenes Etwas unter wehendem Haar. Er verlor sie aus den Augen. Dann sah er sie wieder, ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo sie zuletzt gewesen war. Sie stand jetzt aufrecht da und starrte aufs Meer. Es war seltsam. Sie wirkte jetzt größer. Größer und breiter, und was war nur mit ihren Haaren? Er warf einen Blick zurück zu der Stelle, wo er sie zuvor gesehen hatte, und sein Herz stand still. Sie war noch immer dort, hatte am Rand der Flut gehockt und sprang jetzt zurück, als sich eine Welle den Strand herauf stürzte. Er konnte etwas in ihrer linken Hand sehen. Dann blickte er zur anderen Gestalt hinüber. Ganz in ihrer Nähe. Und beobachtete sie. Der Mann mit dem Messer.
Allmächtiger Gott!
»Kate! Paß auf!« Greg brüllte hinaus in den Wind. »Kate, um Gottes Willen, paß auf! Hinter dir.« Sie konnte ihn nicht hören. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, und auf diese Entfernung wäre nur ein Nebelhorn durch das Tosen von Wind und Wasser gedrungen. »O mein Gott!« Verzweifelt beugte Greg sich vor und versuchte, auf die Knie zu kommen. » Kate!« Der Bastard war näher an sie herangekommen. Er bewegte sich auf sie zu. Gleich würde er direkt hinter ihr sein.
»Kate!« Er schrie jetzt, so laut er nur konnte. »Kate, um Gottes Willen, lauf weg!«
Er stemmte sich hoch und taumelte nach vorn. Doch bevor er überlegen konnte, was er getan hatte, spürte er sein ganzes Gewicht auf dem verletzten Fuß. Mit einem Schrei fürchterlichsten Schmerzes fiel er auf sein Gesicht. Er hatte bereits das Bewußtsein verloren, als er auf dem Boden aufkam.
XLI
Diana rührte den Eintopf um, der auf dem Herd stand. Er bestand aus den Resten des Mittagessens, zu denen sie gebratene Zwiebeln und getrocknete Kräuter aus den Gläsern auf der Anrichte sowie Kartoffeln, Pilze und Karotten gegeben hatte. Es roch köstlich. Die beiden Katzen saßen Seite an Seite hinter ihr und beobachteten respektvoll jede ihrer Bewegungen. Aus ihrem aufmerksamen Blick sprach die Bewunderung für ihre Kochkunst.
Patrick saß hinter ihr am Tisch. Seine Finger trommelten rhythmisch und langsam auf die Tischplatte; ein Trommelwirbel für den Gang zum
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