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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Gott. Di, schau ihr Gesicht an.« Roger war atemlos zu der Gruppe im Flur gestoßen. Er wandte sich seinem Sohn zu. »Halt den Mund, Paddy! In meinem Haus gibt keiner diesen sentimentalen Unsinn von sich!«
    »Geht jetzt. Ihr alle.« Diana hielt Alisons Schultern fester. »Bitte geht. Ich kümmere mich um sie.« Sie hob den Kopf, konnte aber durch ihre Tränen kaum etwas sehen. »Kate, bleibst du bitte. Und ihr anderen geht wieder runter.«
    Roger öffnete kurz den Mund, wollte etwas sagen, dann überlegte er es sich anders. Er gab Kate seine Kerze und wandte sich ab. Er zitterte sichtlich, als er die anderen nach unten schob.
    Kate ging ins Badezimmer, um einen Waschlappen zu holen, und kam damit zurück in Alisons Zimmer, nachdem sie ihn ausgewrungen hatte. Diana wischte Alison das Blut von den Händen und führte sie dann behutsam zurück zum Bett. »Jetzt kann dir nichts mehr passieren, Sweetheart. Gar nichts.«
    »Was ist mit ihrem Gesicht?« Kate hielt die Kerze ruhig. »Ich kümmere mich später darum. Es sind keine schlimmen Kratzer.« Diana sah sie matt an. »Ich lasse nicht zu, daß du oder Paddy oder Joe heute nacht noch einmal dieses Haus verlaßt.«
    »Jemand muß Hilfe holen, Diana.«
    »Es ist noch früh genug, wenn es hell wird. Bis dahin können wir nichts tun.«
    »Aber was ist mit Greg? Und mit Cissy?« Kate war entsetzt über den Anblick von Cissy Farnborough gewesen, die kaum bei Bewußtsein auf dem Sofa beim Feuer lag.
    »Keine Sorge. Ich kümmere mich um sie. Da draußen ist jemand, der uns alle umbringen will, Kate!« Diana zog die Bettdecke bis über Alisons Kinn hinauf und steckte sie an den Seiten fest. »Ich lasse nicht zu, daß nochmal jemand einen Fuß vor dieses Haus setzt.«
    Kate sah hinunter auf Alison. Das Mädchen war jetzt ruhig. Sie lag ganz still auf ihrem blutbefleckten Kissen und atmete in langen, gleichmäßigen Zügen, als sei sie wieder eingeschlafen. »Was, glaubst du, ist passiert?« fragte sie flüsternd.
    »Sie hatte einen Alptraum.«
    »Ich glaube, es war mehr als das.« Kate ging weiter in das Zimmer hinein. Der kleine intime Raum, den zwei Kerzen erhellten, war eiskalt. Auf dem Boden vor den Vorhängen war etwas Sand verstreut. Kate starrte einen Moment lang darauf hinunter und wandte sich dann ab. »Warum hat dein Mann Paddy so angeschnauzt, als er gebetet hat?«
    »Er glaubt nicht an Gott. Er hat an dem Tag aufgehört, an ihn zu glauben, als er erfuhr, daß er Krebs hat.«
    »Und glaubt er an das Böse? An Besessenheit? An Geister?«
    Jetzt war Diana an der Reihe zu zittern. »Er vereinfacht gern alles, und er ist Fatalist. Er glaubt an nichts, was nicht wissenschaftlich beweisbar ist.«
    »Wie seltsam.« Kates Blick wich nicht von Alisons Gesicht. Ihr war Roger immer wie ein Mann mit Poesie in der Seele vorgekommen. Und er war ein Mann, der in höchster Not immer noch Gottes Namen rief, obwohl er ihm nichts mehr bedeutete.
    »Betest du?« Diana setzte sich auf den Bettrand und legte ihrer Tochter zärtlich die Hand auf die Stirn. Sie war sehr kalt.
    »Nicht sehr oft. Aber ich war es, die Paddy die richtigen Worte beigebracht hat. Draußen in der Dunkelheit schien es das Richtige zu sein. Er dachte, Marcus würde das Latein verstehen.«
    »Und hat er es verstanden?« Der ironische Ton, auf den Diana abgezielt hatte, wollte sich nicht einstellen; die Frage kam ihr ganz normal über die Lippen.
    »Ich weiß nicht. Aber durch die Worte habe ich mich besser gefühlt. Ein Schild. Ein Talisman gegen das Böse.«
    »Er hat uns hier in seiner Falle, oder?« Diana sah sie plötzlich an, und einen Augenblick lang konnte sie ihre Panik nicht mehr verbergen. »Alle Autos sind kaputt; das Telefon funktioniert nicht; niemand weiß, was passiert ist. Bill und Cissy haben versucht, uns zu helfen, und schau dir an, was mit ihnen passiert ist.« Eine Träne lief ihr die Wange hinunter. »Und Allie. Was ist mit Allie geschehen?«
    Kate kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. »Ich finde, wir sollten Allie nach unten bringen. Ich glaube, wir bleiben besser alle zusammen.«
    »Sie hat recht.« Sie schreckten beide auf, als sie aus dem Flur Gregs Stimme hörten. Er humpelte herein und schaute hinunter auf seine Schwester. »Ich bitte Joe, sie runterzutragen, und dann, denke ich, solltest du uns allen einen großen Kessel Suppe machen.« Er sah seine Mutter an. Dann warf er einen Blick auf Kate, die noch immer am Boden kniete. »Morgen früh sieht alles ein bißchen weniger schlimm

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