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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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die alte Dame. »Und hüten Sie sich vor dem Schwarzen Hund aus dem Sumpf.« Sie kicherte, während sie zusah, wie Anne ihren Kragen hochschlug und zurück zum Wagen lief.
    »Schwarzer Hund!« murmelte Anne vor sich hin, als sie den Motor wieder anließ. Sie hatte bereits von East Anglias schwarzem Geisterhund gehört und grinste. Sie hatte nicht erwartet, jetzt schon mit dem Übernatürlichen Bekanntschaft zu machen.
    Als das Auto den Weg hinunterschlitterte und schließlich auf eine etwas breitere Straße einbog, auf der es Anzeichen gab, daß sie kürzlich mit Sand bestreut worden war, ließ der Schneefall nach, und ein Stück klarer Himmel gab den Blick auf einen hoch stehenden, kalten Mond frei, der fast voll war und hinter riesigen, angeschwollenen Wolken den Himmel entlangsegelte. Anne gab behutsam ein wenig mehr Gas und folgte vorsichtig der gewundenen Straße. Der Mann hatte etwas von einer Mündungsstraße gesagt, und Anne sah plötzlich, weshalb. Auf einen steilen Abhang, wo sich die Reifen des Wagens einen Moment lang wild drehten, folgte ein flaches, gerades Stück, und sie schaute hinunter auf eine breite Flußmündung, die im Mondlicht silbern glänzte. Sie hielt den Wagen an und machte große Augen. Es war atemberaubend. Eine Landschaft aus Weiß, Silber und poliertem Stahl. Und völlig menschenleer. Erst jetzt fiel ihr auf, daß sie seit über einer halben Stunde kein anderes Auto mehr gesehen hatte. Bedauernd kehrte sie der Aussicht den Rücken zu und fuhr weiter, dieses Mal langsamer. Sie war entschlossen, die Abzweigung nicht wieder zu übersehen, die sie über die Landzunge bringen würde und die zur Rückseite der Redall-Bucht führte.
    Sie fand denn auch den Weg an der beschriebenen Stelle. Es gab keinen Zweifel daran, daß sie ihn endlich gefunden hatte, aber es war auch offensichtlich, daß sie mit dem kleinen Auto nicht weiterfahren konnte. Der Wind hatte den Schnee zu mehr als einen Meter hohen Verwerfungen zusammengekehrt, die sich direkt in der Einfahrt der Abzweigung türmten. Sie stieg aus und sah sich verzweifelt um. Das Mondlicht war jetzt so hell, daß die Straße in beiden Richtungen mehrere hundert Meter weit deutlich zu sehen war. Vor etwa einer halben Meile war sie an einem Farmhaus vorbeigekommen. Vielleicht sollte sie zurückfahren und dort um Hilfe bitten? Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war nach elf. Aber sicher nicht zu spät, in dieser Situation noch an die Tür zu klopfen.
    Als sie das Farmhaus erreichte, war alles finster, und auf ihr wiederholtes Klopfen reagierte niemand.
    Sie zitterte. Die Wolken verdichteten sich wieder; sie verdeckten den Mond bereits zur Hälfte. Noch ein paar Minuten, und er würde verschwunden sein. Sie setzte sich wieder ins Auto und war froh, daß es immer noch warm war. Sie lehnte sich einen Moment lang zurück und dachte nach. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder fuhr sie weiter, in der Hoffnung, daß im Pub ein Zimmer frei war, oder sie ließ den Wagen an der Straße stehen und ging den Weg nach Redall zu Fuß hinunter.
    Wieder auf der Straße, fuhr sie langsam zurück zum Beginn des Weges und hielt an. Trotz der Schneeverwehungen war deutlich zu sehen, wie er sich durch den Wald schlängelte. Sie schaltete das Innenlicht an und betrachtete die Karte. Der Weg konnte nicht länger als eine halbe Meile sein, vermutlich war er kürzer. Sie nahm mit ihrem Daumennagel Maß. Es wäre verrückt, jetzt, da sie endlich hingefunden hatte, wieder wegzufahren. Sie blickte durch die Windschutzscheibe und warf erneut einen Blick zum Himmel. Der Mond war jetzt gut zu sehen und erleuchtete alles, als wäre es Tag. Die Schneewolken, die sie über der Flußmündung gesehen hatte, schienen nicht näher gekommen zu sein. Sie würde den Weg problemlos hinuntergehen können.
    Sie stieg aus dem Wagen und zog ihre Tasche hervor, in der eine Flasche Laphroaig war, ein schottisches Erzeugnis. Sie hatte nicht vergessen, wie sehr ihre Schwester Malt Whisky mochte, und wenn sie in ein Schneeloch fiel, würde sie œ zum Teufel mit allen Weisheiten über Kälte und Alkohol œ ihn selber trinken. Sie löschte das Licht, schloß den Wagen ab, schulterte mit einem skeptischen Blick auf ihre schicken, hauchdünnen Stiefel aus der Princess Street die Tasche und ging auf die Bäume zu.
    Auf den ersten fünfundzwanzig Metern erleuchtete das Mondlicht den Weg strahlend hell, und es war leicht, nicht weiter an Kates Poltergeist zu denken. Der Schnee war weich, aber nicht

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